Commerzbank-Chef Martin Blessing: „Die aktuelle Debatte in Deutschland ist doch weder offen noch fair. Wir wollen den Kuchen essen und ihn gleichzeitig behalten“.
Commerzbank-Chef Martin Blessing fordert eine ehrlichere Debatte über den Euro und die Zukunft der Währungsunion. „Die aktuelle Debatte in Deutschland ist doch weder offen noch fair. Wir wollen den Kuchen essen und ihn gleichzeitig behalten“, sagte Blessing in einem Interview mit dem Handelsblatt (Dienstagsausgabe). Die Deutschen wollten den Euro, aber nicht dessen Konsequenzen. „In Italien und Spanien läuft es genauso: Alle sagen, der Euro hat riesige Vorteile, aber die Nachteile wie Haushaltsdisziplin will man nicht in Kauf nehmen. Das geht aber nicht“, sagte Blessing
Er verteidigte zugleich die Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), die vor allem innerhalb der Deutsche Bundesbank kritisch gesehen werden. Man müsse sich fragen, ob eine Zentralbank nicht nur der Geldwertstabilität, sondern auch für die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes zuständig sei. „Was nützt eine stabile Währung, wenn darüber leider der Staatsanleihemarkt und vermutlich auch Finanzinstitutionen zusammengebrochen sind?“, fragte er. Mit den Staatsanleihekäufen habe die EZB der europäischen Politik Zeit gekauft, um eine politische Lösung für die Schuldenkrise zu finden. „Die EZB war bereit, über ihren Schatten zu springen, um diese Zeit zu kaufen. Sie hat ihren Teil des Versprechens erfüllt – die europäische Politik aber nicht“, kritisierte er. „Die Politik muss die Zeit jetzt nutzen. Wenn sie weiter machen will wie bisher, kann die EZB da auf Dauer nicht mitspielen“, sagte Blessing.
Trotz des zuletzt stark gesunkenen Aktienkurses der Commerzbank rechnet Blessing derzeit nicht mit einer Übernahme seines Instituts. Er begründete das mit der derzeit labilen Verfassung der Geld- und Finanzmärkte. „Ein Investor müsste nicht nur die Bank selbst kaufen können, sondern auch für die Refinanzierung sorgen. Eine gigantische Banken-Übernahme halte ich da grundsätzlich für eher unwahrscheinlich“, sagte der Commerzbank-Chef.
Die Debatte um die Einführung einer höheren Einkommenssteuer für Reiche bewertete er kritisch. „Das ist doch wie mit der Debatte um die Eurobonds: Würde man sie sofort einführen, nähme man den Druck von denen, die ihr Ausgabeverhalten verändern sollen“, sagte Blessing. Die Sanierung der Staatsfinanzen beginne mit möglichen Einsparungen. „Wenn es dann am Ende nicht reicht, hätte ich überhaupt nichts dagegen, wenn man am Ende auch sagt: Breitere Schultern müssen auch mehr tragen.“