Berlin, Potsdamer Platz, 11:30 Uhr. Als Bäume getarnte Menschenziehen die Blicke von vorbeigehenden Passanten auf sich. Schnell wirddeutlich: Hier stimmt etwas nicht. Klarheit schafft der auf denBaum-Kostümen gut sichtbare Schriftzug "Raubkopierer können sich nichtverstecken - auch nicht im Internet". Mit dieser symbolischen Aktionstellt die Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" der deutschenFilmwirtschaft klar: Egal, wie gut man versucht, sich zu tarnen - werRaubkopien erstellt, verbreitet oder im Internet downloadet, muss damitrechnen, erwischt zu werden. Denn jeder Raubkopierer hinterlässtSpuren, über die er individuell identifizierbar ist - und das auch imvermeintlich anonymen Internet.
Alljährlich entstehen derFilmwirtschaft allein in Deutschland mehrere hundert Mio. Euro Schadendurch das illegale Kopieren und Verbreiten von Filmen. Rund 90 Prozentaller Urheberrechtsverletzungen finden heute im Internet statt oderhaben dort ihren Ausgangspunkt. So ergab die von der Zukunft KinoMarketing GmbH aktuell bei der Firma P4M in Auftrag gegebene "Availablefor Download (AfD)"-Studie für das erste Halbjahr 2008, dass mehr alsdie Hälfte (52 %) aller im Zeitraum von Januar bis Juni in deutschenKinos gestarteten Filme illegal im Internet verfügbar waren (Jan. bisDez. 2007: 54 %). Im Schnitt tauchten die Raubkopien im ersten Halbjahr2008 1,9 Tage nach Kinostart im Netz auf - eine deutliche Verbesserunggegenüber den Ergebnissen der AfD-Studie für das Jahr 2007. Damalswaren die von Januar bis Dezember 2007 gestarteten Filme bereits 1,3Tage vor Kinostart illegal online verfügbar. Laut den aktuellenHalbjahrszahlen wiesen von den ersten Releases im Jahr 2008 63 % einegute Bild- und 24 % eine gute Tonqualität auf.
Diese Zahlensind Grund genug, weiterhin intensiv mit Aufklärung, technischenVerfahren und Aktionen wie der "Raubkopierer können sich nichtverstecken"-Promotion auf die massenhafte illegale Verbreitung vonFilmkopien aufmerksam zu machen. "Mit unserer Promotion weisen wirdarauf hin, dass die Rechteinhaber inzwischen über vielfältigeMöglichkeiten verfügen, Raubkopierern on- und offline auf die Spur zukommen. Im Internet sind Personen, die illegal up- oder downloaden,beispielweise über ihre individuelle IP-Nummer identifizierbar", sagtJan Oesterlin, Geschäftsführer der Zukunft Kino Marketing GmbH, die dieKampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" ins Leben gerufen hat.
Ermittlungsarbeit: Gezieltes Vorgehen gegen die Erstverbreiter von Raubkopien
Beider Raubkopierer-Suche im Internet setzt die Filmwirtschaft auf immerdifferenziertere und verbesserte Techniken, wie z.B. automatisierteSuchprogramme. Mithilfe forensischer Markierungen in Bild und Ton einesKinofilms können die Rechteinhaber in jeder Stufe der illegalenVerwertung genau nachvollziehen, in welchem Kino die illegale Aufnahmeangefertigt wurde. Unterstützt wird die Filmwirtschaft bei derRaubkopierer-Suche durch die Gesellschaft zur Verfolgung vonUrheberrechtsverletzungen e.V. (GVU). Ihr Fokus liegt insbesondere aufder strafrechtlichen Verfolgung von Personen und Personengruppen, diejeweils die erste illegale Kopie eines Film-Originals erstellen und inUmlauf bringen. Mit ihrem illegalen Handeln legen diese so genanntenRelease-Gruppen-Mitglieder, First Seeder oder auch Portalseiten- undTrackerbetreiber den Grundstein für eine massenhafte Verbreitung vonRaubkopien im Internet und im Offline-Bereich. Im Jahr 2007 leitete dieGVU mit diesem zielgerichteten Vorgehen mehr als 1.900 qualifizierteVerfahren ein. Die Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Verfahren warmit 2.253 so hoch wie nie zuvor - darunter 380 Zivilverfahren. Trotzder Konzentration auf Erstverbreiter - auch Personen, die aus eindeutigillegalen Quellen downloaden, sind vor Strafen nicht gefeit: Soerwischte es vor kurzem einen Mann aus Düsseldorf. Allein für dasHerunterladen von mindestens 27 Filmtiteln aus Filesharing-Netzen wurdeer zu einer Gesamtgeldstrafe von 900 Euro verurteilt - mitentsprechendem Eintrag ins Vorstrafenregister. Die zweigeteilteStrategie der GVU setzt sich aus einem rechtlichen Vorgehen gegen dieSpitze der Verbreitungspyramide und der Entwicklung und Förderung vontechnischen Maßnahmen und Lösungen gegen die Massenverbreitungzusammen.
Änderung der rechtlichen Situation - Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums
Rechtlichhat es mit dem am 1. September 2008 in Kraft getretenen Gesetz zurVerbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums eineÄnderung gegeben, die die Stellung der Rechteinhaber beim Kampf gegendie Produktpiraterie verbessern soll. Es sieht u.a. vor, dassRechteinhaber im Falle bestimmter Rechtsverletzungen ohne den bishernotwendigen Schritt einer Strafanzeige bei einem Richter einenBeschluss erwirken können, der Internetprovider zur Auskunft über denNamen des Anschlussinhabers verpflichtet. Auf diese Weise soll einzivilrechtliches Vorgehen für Rechteinhaber erleichtert werden. "DieseNeuregelung unterstreicht das berechtigte Schutzinteresse derRechteinhaber. Wie sich dieses Gesetz in der Praxis auswirken wird,bleibt aber abzuwarten. Es gibt viele Unklarheiten für dieRechteinhaber", so Jan Oesterlin.
Provider stärker einbinden - Der "Deutsche Weg"
Alssinnvolle Ergänzung zu einer straf- oder zivilrechtlichen Ahndung aufMassenebene sprechen sich die Filmwirtschaft und die GVU für dieEinführung eines eigenen Modells für eine Kooperation mitInternetprovidern aus. Danach sollen illegale Downloader von denProvidern zunächst per Warnmail auf die Rechtswidrigkeit ihres Handelnshingewiesen werden. Im Fall von Wiederholungen drohen stufenweiseSanktionen, wie etwa die Einschränkung der Bandbreite. Im Gegensatz zuanderen diskutierten Modellen ist eine Besonderheit des "DeutschenWegs" bei der Providerkooperation, dass die Internetprovider in diesemVerfahren nicht dazu angehalten sind, eigenständig die Netze nachRaubkopien ihrer Kunden zu durchsuchen. Als eine weitere Besonderheitsoll in diesem Verfahren eben keine Aushändigung der Nutzerdaten an dieRechteinhaber stattfinden. Auch werden bei den drohenden Sanktionen fürWiederholungstäter die Spezifika von so genannten "TriplePlay"-Angeboten, bei denen Telefon und Fernsehen ebenfalls über denInternetanschluss laufen, berücksichtigt. Dr. Matthias Leonardy,Geschäftsführer der GVU dazu: "Mit diesem 'Deutschen Weg' wählen wireinen anderen Ansatz als Frankreich oder Großbritannien: Wir hoffen underwarten, dass die Internetbranche hierzu mit uns in einenkonstruktiven Dialog eintritt und sich damit keine Notwendigkeit fürpolitische Lösungen "von oben" ergibt. Denn der Schutz des geistigenEigentums wird, so hoffen wir, weiter auf der politischen Agendableiben."
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