Zunächst klingt alles normal, wenn man davon absieht, dass am Kunstmarkt so ziemlich gar nichts mehr normal ist. Damien Hirst , der mit in Formaldehyd eingelegten Tieren zu Weltruhm und Reichtum kam, versteigert Werke bei Sotheby´s. Ein „Must“- Event für alle Oligarchen und solche, die gern dazu gehören wollen.
Nicht genug, dass hier jemand den „moment in time“ nutzt, um maximalen Nutzen aus seiner Popularität zu ziehen. Rund 120 Millionen Dollar sollen reinkommen. Hirst umgeht auch noch seine Galerien, die ihn bisher gepflegt und gehegt und marktschonend verkauft haben, und versteigert in den nächsten Tagen auf eigene Rechnung. Ein Versuch soll es sein, so sagt er die moderne Kunst zu demokratisieren. Nun ja, seine Worte in Ehren, aber eher scheint es, als wolle er den schönen Profit selber einstreichen und nicht mehr teilen.
Das Vorpreschen von Hirst wird in der Kunstszene natürlich allseits beäugt. Stehen doch schon andere angesagte Künstler parat, die schnell ihre Produktion erhöhen können und ebenso einen scheinbar unendlich großen Kunstmarkt bedienen wollen . Zu Höchstpreisen , versteht sich.
Warum sollte der Kunstmarkt nun aber kippen? Bisher ging es doch auch gut, keiner bemerkte, dass der Kaiser gar keine Kleider trug. Oder keiner wollte es merken. Auch jetzt bin ich mir sicher, dass alle sagen werden, es geht immer weiter aufwärts mit den Preisen. Der Erfolg von Hirst bei seiner Versteigerung gibt all denen vermeindlich recht. Und tatsächlich schwirrt momentan so viel ängstliches Geld durch die Welt, das lieber in Kunst, als in anderen wertvollen oder wertlosen Dingen investiert wird.
Doch es gibt folgendes zu bedenken: werden die Galerien in Zukunft umgangen, dann fehlt ein wichtiger „Market Maker“, einer, der zur Not auch mal ein paar Werke im Keller hortet, wenn zu viel auf dem Markt ist und der Preis bedroht ist. Einer, der die Sammler erst richtig gierig macht, indem er ihnen ein Kunstwerk wie eine Möhre vor die Nase hängt, um es dann doch nicht zu verkaufen.
Wird ein Künstler inflationär, dann wird er uninteressant. Genau diesen Effekt werden wir in Kürze bei chinesischer zeitgenössischer Kunst sehen, die ebenfalls aktuell zu Höchstpreisen gehandelt wird. Leider finden Chinesen das Kopieren und die Kopie gar nicht schlecht, sondern eine Wertschätzung des Künstlers, doch im internationalen Markt stellen sich vielen die Nackenhaare auf, wenn sie sehen, wie hemmungslos und haufenweise die angesagten chinesischen Künstler abgekupfert werden. Noch kaufen die Kunden aus aller Welt , weil sie sich ein hippes Kunstwerk leisten wollen. Doch der Markt ist kunstvoll abgestimmt und die Karawane zieht allzu schnell weiter.
Diese Gefahr sehen die Künstler, wie Hirst, offenbar nicht. Die Galeristen sind sich schon eher bewusst , dass hier eine Tonne Sprengstoff herumsteht, die nicht nur ihr eigenes Geschäft , sondern den gesamten Kunstmarkt atomisieren könnte. Nur so ist es zu erklären, dass Gagosian, einer der geprellten Galeristen von Hirst, bei Sotheby´s mitbieten will . Den „Market Makern“ ist klar, dass sie den Markt in der Hand behalten müssen, damit er funktioniert.
Warten wir ab, wer sich am Ende durchsetzt. Davon hängt ab, ob das ein oder andere Werk in Zukunft noch Kunst oder nur ein toter Kadaver ist.