Asylbewerber aus der Türkei sind offenbar deutlich besser qualifiziert als der Durchschnitt der Schutzsuchenden.
Das geht aus einer internen Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervor, über die die "Welt" (Donnerstagsausgabe) berichtet. Demnach hätten Befragungen im ersten Halbjahr 2018 ergeben, dass 48 Prozent der türkischen Schutzsuchenden zuvor eine Universität besucht haben.
Dagegen habe der Wert bei Schutzsuchenden aus allen Ländern bei 17 Prozent gelegen. Der Bildungsstand von türkischen Antragsstellern sei besonders hoch, heißt es in der Analyse.
Einschränkend werde hinzugefügt, dass es sich bei den Angaben um Selbstauskünfte handelt.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass manch Antragssteller seine Qualifikation überhöhe, "weil sie sich dadurch - irrtümlicherweise - eine bessere Ausgangslage für ihr Asylverfahren erhoffen", heißt es weiter.
Die Zahl der Asylanträge aus der Türkei ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stellten 10.655 Türken hierzulande ein Schutzgesuch. Das Land belegt damit Platz sechs auf der Liste der häufigsten Herkunftsstaaten. 2017 hatten die deutschen Behörden noch 8.483 Asylsuchende aus der Türkei registriert.
Die Zahl der türkischstämmigen Antragssteller sei erheblich angestiegen, teilte das Innenministerium auf Anfrage mit. "Der Anstieg ist auf die politische Situation im Land zurückzuführen", erklärte ein Sprecher. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 wurden mehr als Hunderttausend Staatsbedienstete entlassen. Im Südosten des Landes erhöhte Ankara zudem den Druck auf die kurdische Minderheit.
Während im Jahr 2016 noch 4.383 Kurden und lediglich 1.197 türkischstämmige Migranten hierzulande einen Asylantrag stellten, hat sich das Verhältnis mittlerweile stark verändert. Im Jahr 2018 hatten bis Ende November 5.776 türkischstämmige Menschen sowie 4.067 Kurden einen Asylantrag in Deutschland gestellt.
Auch die Schutzquote hat sich mit Blick auf die Folgen des Putschversuches verändert. Lag sie im Jahr 2016 für Kurden und Türkischstämmige noch bei sieben Prozent, erhöhte sie sich 2018 mit Stand Ende November auf rund 40 Prozent.
Bei Türkischstämmigen liegt sie dabei bei rund 71 Prozent, bei Kurden lediglich bei zwölf Prozent. Nach dem gescheiterten Putschversuch haben auch viele Diplomaten und Staatsbedienstete in Deutschland Schutz gesucht. Laut Innenministerium stellten 2018 insgesamt 316 Inhaber von Diplomatenpässen sowie 115 Inhaber von Dienstausweisen einen Asylantrag.
Diese Zahlen umfassen dabei auch Ehegatten und Kinder. Migrationsforscher Jochen Oltmer spricht von einem "Braindrain" aus der Türkei. "Wir beobachten zum einen die Ausreise politisch Verfolgter. Gleichzeitig verlassen viele junge Hoffnungsträger das Land, um zum Beispiel im Ausland zu studieren", sagte Oltmer der "Welt".
Das bestätigte auch Wiebke Bachmann vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD): "Die Entwicklung nach dem Putschversuch war deutlich zu beobachten. Ab 2017 hatten wir viel mehr Anfragen von jungen Türkinnen und Türken, die sich für ein Studium in Deutschland interessiert haben."
Die Fakten: Arbeitslosigkeit bei islamischen Migranten (50% der Türken in Berlin lebt auf Hartz IV)
Foto: Flüchtlinge an einer Aufnahmestelle, über dts Nachrichtenagentur