Als US-Präsident Bush am Freitag vor dem WeissenHaus die neuen Notverordnungen verkündete, konnte man meinen, es handelesich um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus:
"Wirwerden die neue Regelung mit aller Macht verwirklichen. Wir werden dieVerdächtigen rigoros aufdecken und verfolgen. Jeder, der gegen die neueRegulierung verstößt, wird gefangen und bestraft."
Dochder Adressat ist nicht Osama Bin Laden, sondern der imaginäre Leerverkäufer. Der Shortie als Systemfeind. Das ist neu in der Börsengeschichte.
Bisher konnte zwar nicht ein einziger Shortie entdeckt werden. Doch kriminalisiert ist nun die geamte Finanzindustrie undeines ihrer gebräuchlichsten Mittel zur Optimierung von Renditen: DerLeerverkauf von Aktien.
Von Leerverkäufen ist jeder Sektor an der Börse mehr oder weniger betroffen. Auf sinkende oder steigende Kurse zu spekulieren, gehört zum Börsenalltag. Freie Märkte und freie Investitionsentscheidungen gehören untrennbar zusammen. Doch das war einmal.
Bisher ist nochkein Unternehmen wegen Leerverkäufen Bankrott gegangen. Darüber hinausgibt es im Handel sehr komplizierte Systeme von Longs und Shorts inEinzelaktien oder ganzen Sektoren, die zum großen Teil auch reineAbsicherungseffekte haben.
Die Mainstream Medien übernehmen zwar die Regierungsdoktrin wie üblich ohne zu hinterfragen. Doch bisher gibt es in der Börsengeschichte noch keinenn belegten Fall, in dem ein Unternehmen nur wegen Leerverkäufen Pleite gegangen ist.
Unternehmen gehen Bankrott, weil sie schlecht gemanagt sind. Oder weil sie überschuldet sind. Dies ist völlig unabhängig vom Börsenkurs. Sollte es tatsächlich Leerverkäufer geben, die einen Titel unbotmäßig in die Tiefe manipulieren, dann sind sofort andere Marktakteure zur Stelle, die dieses Defizit erkennen und ausnutzen, um zu kaufen.
Anders sieht die Sache natürlich aus bei Firmen, die tatsächlich am Abgrund taumeln und einen hohen Börsenkurs brauchen, um in einem letzten verzweifelten und betrügerischen Akt per Kapitalerhöhung oder Kredit neue finanzielle Mittel zu ergattern.
Die Hatz auf vermeintliche Leerverkäufer ist in der Börsengeschichte beispielslos. Ohne Beispiel ist auch, dass in den Massenmedien der Eindruck erweckt wird, Kurse fallen nur wegen Leerverkäufern. Das Gegenteil ist der Fall. Meist ist es der Leerverkäufer, der unten noch die Hand aufhäll, um einzudecken. Und oft ist es der Leerverkäufer, der Aktien durch die Decke schießen lässt, weil er sich irrte und um jeden Preis zurückkaufen muss (Beispiel VW).
Dieneuen Notverordnungen bedrohen den freien Markt. Was sich niemandvorstellen konnte: Im Mutterland des Kapitalismus werden wesentlichePrinzipien des freien Marktes kurzerhand ausser Kraft gesetzt.Leerverkäufe in 799 Aktien aus dem Finanzsektor sind verboten.
Schonmelden sich andere vermeintliche "Opfer". Sie wollen mit auf dieArtenschutz-Liste. Auch die Autoindustrie hat sich schon zu Wortgemeldet. Bush spricht in einer Regierungserklärung von eineraußerordentlichen Massnahme, die dazu dient, Staat, Bürger undFinanzsystem zu schützen.
Dümmerkann eine Begründung für eine solche Maßnahme nicht sein. Aberpopulistisch wirksam ist sie gleichwohl. Auch bei vielen Börsianernhält sich der Glaube, dass eine Aktie nur "wegen böser Shorties" nachunten trudelt. Dass es tatsächlich auch Anleger gibt, die einfach nureine Aktie verkaufen, weil sie kein Vertrauen in die Anlage haben, dasscheint vielen Menschen und auch dem US-Präsidenten derzeit fremd.
DieFinanzindustrie selbst läuft Sturm gegen diese Verordnung. Diefiligranen Positionen vieler Fonds und Finanzmarktakteure mussten überNacht aufgelöst werden. Ein brachialer Eingriff in die Freiheit vonInvestitionsentscheidungen. So etwas gab es noch nie in der Geschichte.
Nochabenteuerlicher sind die Offenlegungspflichten, die nun in Krafttreten. Jeder muss ab einer bestimmten Summe seine Positionen denBehörden darlegen. Bei Zuwiderhandlung drohen drakonische Strafen undKnast.
Das istdas Ende des freien Marktes und damit auch der USA. Wer keine echteUrsachenforschung betreibt und nur vordergründig einen Sündenbock denMassen vorwirft, der handelt nicht anders als verzweifelte Diktatoreneiner Bananenrepublik.
Ineinigen Wochen wird auch die Regierung in den USA begreifen, dassLeerverkäufer nicht verantwortlich für den Finanzcrash sind.
Verantwortlich sind vielmehr die Behörden, die FED und Alan Greenspanhöchstpersönlich. Sie alle haben nicht nur tatenlos zugesehen, sondernauch noch gefördert, wie der größte Kreditbetrug in der Geschichte derMenschheit bis in den Exzess getrieben wurde.
Dem US-Propaganda gegen Leerverkäufer schließt sich das BaFin an.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am Freitag abend als Reaktion auf die Finanzkrise vorübergehend sogenannte Leerverkäufe untersagt. Das Verbot gilt vom 20. September 2008, 00.00 Uhr, bis zum 31. Dezember 2008, 24.00 Uhr, werde jedoch laufend überprüft, wie die BaFin am Freitagabend mitteilte. Die Sperre gelte für bestimmte Unternehmen der Finanzbranche. Die Behörde begründete den Schritt mit den jüngsten Entwicklungen an den weltweiten Kapitalmärkten. Zuvor hatte bereits die Finanzaufsicht in den USA und Großbritannien, Irland und die Schweiz sogenannte Leerverkäufe (Shortselling) in Finanztiteln bis auf weiteres verboten.