Beruhigen, beschwichtigen, betrügen– das ist die Antwort auf die größte Finanzkrise desKapitalismus.
Politiker beruhigen, Medienbeschwichtigen, Bänker sagen einen Tag vor dem Bankrott: „Allesbestens.“ Wie soll diese Krise bewältigt werden, wenn dieBeteiligten nicht in der Lage sind, der Wahrheit ins Gesicht zublicken?
Anstatt die Tiefe des Problem-Eisbergsauszuloten, werden Beruhigungspillen verabreicht. Wenn Kurse sinken,dann gibt es ein Shortselling Verbot. Wenn alles nicht mehr hilft,dann zahlt der Steuerzahler – und die Medien feiern Moral Hazardals Rettung. Motto: Es ging halt nicht anders. Ob es doch andersgeht, wird nicht hinterfragt.
Der Gipfel der offiziellenBerichterstattung war am Freitag bei Bloomberg (GB-Ausgabe*) zubeobachten. Thema: Die Pleite von WaMu, US-Rettungsplan und dieFolgen fürs Banksystem. Die Moderatorin kicherte und gluckertesich vollkommen inkompetent durch die Sendung. Tiefgang: Null. Gekrönt wurde diese journalistische Sternstunde mit einemInterview eines Analysten, der Bankaktien zum Einstieg empfahl.
Nun werden Sie sagen, Herr Mross, siesind doch selber bei CNBC on Air – kann man im Glashaus mit Steinenwerfen?
Bei CNBC kommen zwar ebenfallsOptimisten zu Wort. Doch auch Leute wie Martin Weiss (--->Weiss Group) durften hier ihre Meinung kundtun. Und Martin Weiss sagt es klippund klar:
Der US-Rettungsplan ist ein Witz.Schnell gestrickt und schlecht durchdacht. Die Wahrheit:
1.479 Mitgliedsbanken des FDIC mit Vermögenswertenin Höhe von 2,4 Billionen Dollar sind vom Untergang bedroht.
Weitere 158 Sparkassen mit Vermögenswerten von756 Mrd. Dollar sind bedroht.
Insgesamt sind also Vermögenswerte von 3,2Billionen Dollar betroffen, also 36 mal mehr sich aus der Liste derFDIC ergibt.
Diese Zahlen legen nahe, dass die 700 Mrd. desvorliegenden Rettungsplans nicht ausreichen könnten.
Auch der Privatsektor, Gemeinden und Kommunen haltenHypothekenkredite in substantiellen Größenordnungen.Folglich müsste der Rettungsplan auch folgende Investorengruppenumfassen:
Investmentbanken und andere Emittenten von durchVermögenswerte gesicherten Anleihen (die halten zurzeit 2,1Billionen Dollar an Wohnimmobilienkrediten).
Finanzinstitute, die keine Banken sind (426 Mrd.Dollar).
Genossenschaftsbanken (332,4 Mrd. Dollar).
Kommunen und Gemeinden (159 Mrd. Dollar).
Lebensversicherungen (61,6 Mrd. Dollar).
Pensionskassen, Beamtenpensionskassen und privateHaushalte.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt auseinem offenen Brief von Martin Weiss an den US-Kongress.
Die alles entscheidende Frage aber ist,wie soll das eigentlich finanziert werden? Bekanntlich sind die USAja schon jetzt überschuldet. Bleibt also nur das Drucken vonSchuldscheinen und deren Verkauf ans Ausland. Es erscheint sehrfraglich, ob China und Russland zum Beispiel gewillt sind, einenneuen Schwall an US-Schuldscheinen zu kaufen.
Ich würde es jedenfalls nicht tun.
Und damit sind wir beim Dow Jones.Freitag. WaMu bankrott. Weltbörsen stürzen. Dow eröffnetMinus 200. Dann schließlich, gegen 21 Uhr, kann man, wie sooft, die Uhr nach stellen: Zeit für das übliche Dow Jones Wunder: DasAktienbarometer schießt nach oben und schließt mit 1,5% im Plus.
Die Schlussglocke leutet. Alles im Lot.Am nächsten Tag stehts in der Zeitung: Börsen im grünenBereich. Botschaft: Alles in Ordnung.
Ich möchte hier nicht behaupten,dass der Dow tatsächlich manipuliert wird. Doch es ist an einemsolchen Tag, wie letzten Freitag, schon sehr außergewöhnlich,dass ausgerechnet im Mutterland der Finanzkatastrophe die Börsenicht den Ernst der Lage reflektiert.
Es könnte sein, dass dies gewolltist.
Wenn ich Anfang des Jahres eine Wetteangeboten hätte, dass der Dow trotz Pleite der größtenInvestmentbanken, trotz Bankrott von Fannie und Freddie, trotzUntergang 14 großer Geschäftsbanken (Wachovia schoneingerechnet), trotz Bankrott des größtenVersicherungskonzerns der Welt ... trotz all der Fakten, die wirkennen, ... dass also der Dow Jones dann immer noch bei 11000 stehenwürde – man hätte mich für verrückt erklärt.
Doch es ist Realität geworden.
Lesen Sie hier die komplette Analysevon Martin Weiss: Zuwenig, zu spät, um dieKreditkrise zu beenden. Zu viel und zu schnell für den USBondmarkt. ---> Link zur Studie (PDF Format)
*) Die deutsche Ausgabe von Bloomberg ist wesentlich analytischer.