Das deutsche Strafrecht verbietet die Veröffentlichung von heimlich aufgezeichneten Gesprächen. Wird es Folgen für SZ und SPIEGEL geben?
von Karl von Francois
Dass die ganze Affäre neben der jämmerlichen Selbstdemontage eines Politikers den schmutzigsten Höhepunkt illegitimer Wahlbeeinflussung durch den tiefen Staat und die deutschen Medien darstellt, ist nicht zweifelhaft.
Sie hat aber nicht nur eine politische und moralische, sondern auch juristische Dimension, und zwar nicht nur bezüglich der bisher anonymen Drahtzieher von 2017, sondern auch derer, die die damals gelegte Mine (erst) nach 2 Jahren gesprengt haben:
Ein schlichter Blick ins deutsche Strafgesetzbuch ergibt nämlich folgendes:
§ 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB bestraft denjenigen, der die unbefugte Aufnahme des nicht-öffentlich gesprochenen Worts eines anderen auf einen Tonträger gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Genau das haben ja wohl die Verantwortlichen von Spiegel und/oder SZ mit der Tonspur des Videos getan und dabei auch auf deutschem Boden gehandelt, so dass das deutsche Strafrecht unzweifelhaft anwendbar ist.
Zusätzlich ist von diesen Herren oder Damen § 201 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt, weil das nicht-öffentlich gesprochene Wort öffentlich mitgeteilt worden ist. Hierfür und allein hierfür kommt zwar der besondere Rechtfertigungsgrund von Abs. 2 Satz 3 in Betracht, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird. Ob sich unsere Qualitätsmedien auf österreichische öffentliche Interessen berufen können, ist eine schwierige Frage, die man nicht von vornherein verneinen kann.
Wegen der wohl geheimdienstlichen Einfädelung einer agent-provocateur-Intrige würde man vielleicht auch überragende Interessen nur bejahen können, wenn Gespräch und Quelle zugleich offen gelegt werden, weil sonst genau umgekehrt die reale Gefahr der Manipulation der Demokratie nicht offen gelegt und dadurch gebannt, sondern gefördert wird. Aber diese Fragen brauchen einstweilen nicht vertieft werden, weil es jedenfalls klar ist, dass der genannte Rechtfertigungsgrund nur bei Mitteilung des Textes, nicht aber der Aufnahme selbst eingreift.
Weil nicht nur die Audioaufzeichnung, sondern die Videoaufzeichnung zugänglich gemacht worden ist, greift zusätzlich die Strafvorschrift des § 201a Abs. 2 StGB ein, für die der Gesetzgeber ebenfalls keinen besonderen Rechtfertigungsgrund vorgesehen hat.
Gem. § 205 StGB sind die Taten allerdings nur auf Antrag des Geschädigten verfolgbar. Ob Herr Strache das weiß und was er tun würde, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers. Immerhin haben unsere Qualitätsmedien die Frage der Publikation ja nicht etwa wegen der besten Platzierung vor der Europawahl, sondern aus Gründen der journalistischen Sorgfalt so lange geprüft, dass ihnen die Rechtslage klar gewesen sein dürfte. Womöglich hätte deshalb unser Qualitätsfernsehen durchaus Anlass und Interesse, auch einmal Juristen in einer Talkshow zu dieser criminal story zu Wort kommen zu lassen.