Der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, 68, spricht angesichts der weltweiten Finanzkrise von einem "krassen Marktversagen". Im Interview mit SPIEGEL ONLINE sagte der Wirtschaftswissenschaftler aus Bangladesch, es gebe derzeit keine Alternative zu Verstaatlichungen von Banken und staatlichen Finanzhilfen.
"Der Markt ist offensichtlich nicht in der Lage, diese Probleme selbst zu lösen, so dass man jetzt zu den Regierungen rennt und um Nothilfe bittet", sagte der Ökonom. Danach müsse man aber wieder zu Marktmechanismen zurückkehren, die in der Krise greifen und die Probleme lösen. "Lösungen sollten aus dem Markt heraus kommen, nicht von Regierungen."
Als Schuldigen der Krise macht Yunus den Markt "mit seinen jetzigen unzureichenden Regeln" aus. "Der heutige Kapitalismus ist zu einem Spielcasino verkommen", sagte er. "Der Finanzmarkt ist getrieben von Gier. Es wird in einem Ausmaß spekuliert, das katastrophale Auswirkungen hat. Das sind alles Dinge, mit denen es ein Ende haben muss."
In Anlehnung an die von ihm gegründete Grameen Bank, die Mikrokredite an arme Menschen vergibt, forderte Yunus mehr Nähe des Finanzmarktes zur Realwirtschaft. "Wenn wir einen Kredit von 200 Dollar vergeben, gibt es irgendwo eine Kuh, die davon gekauft wird", sagte der Friedensnobelpreisträger.
"Hinter dem Geld steckt also ein Gegenwert. In den USA hat sich die Finanzwirtschaft gänzlich von der Realwirtschaft gelöst. Es wurden Luftschlösser gebaut - und plötzlich stellte man fest: Diese Schlösser existieren ja gar nicht!" Dies sei der Moment gewesen, in dem das Finanzsystem kollabierte.