Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, hält die Finanzkrise
noch nicht für überwunden. „Zu sagen: Entwarnung, wir haben die Talsohle der Fi-
nanzkrise erreicht! – dafür ist es zu früh“, sagte Blessing in der ZEIT. Er warnte vor
Ausfällen insbesondere bei Konsumenten- und Autokrediten, „auch in dem ein oder
anderen Schwellenland kann noch etwas passieren“.
Blessing zeigte Verständnis dafür, dass die Politik auf die öffentlichen Diskussion um
die Annahme des Rettungschirms mit Verärgerung reagiert hat. „Die Politik hat in der
Krise schnell, mutig und kraftvoll reagiert. Und deshalb sollten wir uns dafür auch mal
bedanken. Dass manche Politiker verärgert sagen: Mensch, das war ein Riesenkraftakt
unsererseits, und jetzt debattiert ihr erst einmal zehn Tage, ob ihr das mögt oder nicht
– das kann ich verstehen“, sagte er. Hintergrund ist, dass Deutsche-Bank-Chef Josef
Ackermann gesagt hatte, sein Haus werde kein Staatsgeld annehmen. Ihm wurde vor-
geworfen, es dadurch für andere Banken schwieriger zu machen, sich an dem Paket
zu beteiligen.
Blessing wollte nicht ausschließen, dass die Commerzbank möglicherweise noch ein-
mal Kapital aufnehmen muss: „Wir sind gut ausgestattet und werden uns intensiv um
das operative Geschäft kümmern. Aber ich sage ganz offen: Wir Banken haben das
nicht allein in der Hand, wir werden sehen, ob sich in einem halben Jahr die Ansprüche
aller Beteiligten im Markt noch einmal dramatisch verändert haben.“ Angesichts immer
höher Kapitalanforderungen an den Märkten könnte schon bald „derjenige stigmatisiert
sein, der keine Staatshilfe bekommt“.
Der Commerzbank-Chef sprach sich wenige Tage vor dem Weltfinanzgipfel in Wa-
shington für weit reichende Reformen des Finanzsystems aus. „Wir müssen verhin-
dern, dass Banken Regulierungslücken ausnützen und mit ihrem Geschäft immer dort
hin gehen, wo die Vorschriften am lockersten sind. Es ist ein Problem, wenn Staaten
die Finanzindustrie mit einer laschen Regulierung anlocken wollen“, sagte er. Er halte
auch die Praxis für problematisch, Kredite „ganz schlank“ an den Kapitalmarkt weiter-
zureichen, weil dadurch der Anreiz sinke, die Risiken zu prüfen. Es sei eine Lehre aus
der Krise, „dass der, der das Risiko einkauft, einen Teil davon selbst in den Büchern
behalten sollte“.