Aber es gehört leider auch zu den Tatsachen, dass solche Rufe regelmäßig ungehört verhallen. Neulich im Bundestag wurde ein Abgeordneter der FDP, der wegen des lächerlichen Konjunkturprogramms der Bundesregierung seine Bedenken äußerte, als „Kassandra“ bezeichnet. Es spricht für die Bildung der Zwischenrufer, nicht zu wissen, dass Kassandra schon im alten Griechenland Recht hatte.
Wobei wir genau beim Thema wären – der Unfähigkeit der Politik. Was Kanzlerin Merkel jetzt verkündet hat, ist der sichere Weg in die Depression. Man analysiere angeblich ständig die Lage und werde im Januar die Wirkung der Maßnahmen überprüfen und gegebenenfalls nachjustieren. Es ist verheerend, dass Deutschland nicht nur von Politikern regiert wird, denen jedes historische Wissen abgeht, sondern die bedauerlicherweise auch kein Verständnis für das Funktionieren ihres eigenen Wirtschaftssystems haben und deshalb zwangsläufig falsch handeln müssen.
Eine nüchterne Bestandsaufnahme führt zu dem Ergebnis, dass der weltweit leicht verfügbare Kredit eine Schuldenpyramide aufgebaut hat, wie sie so noch nie da war. Solange man immer weiter aufschulden kann, kein Problem, was aber, wenn Zahltag ist? Mit 70% des BIP direkt vom Konsum abhängig, besitzen die USA eine Volkswirtschaft, die so nicht überlebensfähig ist. Die Problematik des hohen Handelsdefizits und der nicht vorhandenen Ersparnisse wurde kaum thematisiert, ganz zu schweigen davon, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Stattdessen erfanden kluge Wirtschaftswissenschaftler aus den USA (woher sonst) neue Theorien, die diese kranke Wirtschaft sogar als den anderen überlegen herausstellten und sie als Modell für weltweiten Wohlstand empfahlen.
Was in den letzten Jahrzehnten tatsächlich ablief, war ein beispielloser, kreditgetriebener Aufschwung. Den letzten massiven Schub bekam er durch den Fall des Eisernen Vorhangs, der neue Nachfrage den satten westlichen Märkten zuführte und den Zyklus verlängerte. Ohne den Zusammenbruch des Ostblocks, wäre auch der Westen viel früher abgestürzt. Aber das nur als Randbemerkung.
Eine Wirtschaft, die nur mit immer mehr Kredit wachsen kann, muss bei einer Verminderung der Kredite zusammenbrechen. Wenn also jetzt der Verbraucher in den USA keine Kredite mehr bekommt oder keine mehr will, muss die Wirtschaft zwangsläufig einbrechen. Der Export ist keine Hilfe, bleibt also nur der Staatskonsum als Lückenfüller. Da aber wiederum keine Ersparnisse vorhanden sind und man in diesem Zustand auch die Steuern nicht erhöhen kann, muss man die Schulden massiv ausweiten.
In Deutschland sieht die Lage anders aus, das Endergebnis wird aber das gleiche wie in den USA sein. Bei uns ist der Export der wichtigste Wachstumsmotor, der Binnenkonsum war es nie, da die Deutschen zum Glück der Kultur des Konsums auf Pump nicht so anheim gefallen sind wie die Amerikaner. Eine Wirtschaft, die exportiert, ist zwangsläufig viel wettbewerbsfähiger als eine, die auf dem Weltmarkt kaum vertreten ist. Was aber, wenn die Auslandsnachfrage jetzt drastisch einbricht ? Genau das passiert, während gleichzeitig die Binnennachfrage weiter sinkt.
Die „Lösung“ ist ganz einfach und vielleicht gerade deswegen für die herrschende politische Kaste nicht erkennbar. Der Steuerzahler muss schnellstens entlastet werden, um den Binnenkonsum zu unterstützen UND die staatlichen Ausgaben müssen hochgefahren werden. Aber was tut die Regierung? Sie gibt kleine Anreize, damit der Bürger jetzt mehr ausgibt, ohne dass er mehr einnehmen würde. Man kann sich über diese Ignoranz, ja geradezu Dummheit der Politiker nicht genug empören. Jeder Bürger handelt jetzt rational, zu sparen und sein Geld für den kommenden Tsunami zusammenzuhalten. Die Sparneigung wird weiter steigen, die Binnennachfrage sinken.
Anstatt die Bürger jetzt zu entlasten, werden wertvolle Monate tatenlos verstreichen. Nach diesen Monaten wird die Arbeitslosenzahl um einige hunderttausende höher sein, was die Konjunkturprogramme weiter verteuert und ihre Wirkung mindert.
Andere Länder der Eurozone haben die Brisanz der Lage erkannt und schnell gehandelt. Italien legt ein 80 Mrd. € Konjunkturprogramm auf, Frankreich 26 Mrd. €, weitere werden folgen. In Deutschland bekommen Sie 10€ mehr Kindergeld und können Handwerkerrechnungen absetzen!
Der Tsunami rollt an und wir wissen, dass er einschlagen wird. Anstatt aber die Küste zu befestigen oder sich zurückzuziehen, wartet die Politik ab, denn vielleicht schwächt sich die Welle ja ab. Sie muss mit dieser Einschätzung schief liegen, was leider Millionen Menschen ihre Arbeit kosten und die Dauer der Krise verlängern wird.
Im Übrigen sollte mit diesem Artikel nicht der Eindruck erweckt werden, dass staatliche Ausgaben uns zum Status quo vor der Krise zurückbringen können. Das ist nicht mehr möglich, denn die Schuldenuhr lässt sich nicht zurückdrehen. Das unweigerliche Ende des Papier-Kreditgeldsystems ließe sich damit aber aufschieben.