Liebe Leser,
wenn der ehemalige Boss als Aufsichtsratsvorsitzender ins Unternehmen zurückkehrt, kann dies zu Konflikten mit dem amtierenden Vorstand führen. Man frage beispielsweise bei Volkswagen oder Linde nach. Eine solche Ausgangslage bahnt sich nun auch beim Kabelproduzenten Leoni an, einem der führenden deutschen Autozulieferer. Ex-Vorstandsvorsitzender Klaus Probst stellt sich am 11. Mai auf der Hauptversammlung zur Wahl.
Eine prägende Figur
Ich muss nicht zwangsläufig ein MDAX-Unternehmen zum Vergleich heranziehen, um zu erahnen, welche Konflikte sich ergeben können. Dazu genügt ein Blick auf jedes x-beliebige kleinere oder mittlere Familienunternehmen, bei dem ein Generationen-Wechsel ansteht. Wie oft kommt es in der Praxis vor, dass der „Alte“ immer alles besser weiß, obwohl er nicht mehr für die Entscheidungen zuständig ist? Eben. Und manchmal hat er damit ja sogar recht. Nur es nützt nichts. Die Jungen müssen ihre eigenen Erfahrungen machen, sonst lernen sie nichts. Unternehmen müssen sich den stetig verändernden wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen, um überleben zu können. „Helikopter-Eltern“, die auf Bewährtes vertrauen, sind in diesem Kontext eher hinderlich.
Bei Leoni deutet sich eine vergleichbare Gemengelage an. Klaus Probst war immerhin 25 Jahre für den Konzern tätig, zwischen 2002 und 2015 eben auch als Vorstandsvorsitzender. Als er von Bord ging, stürzte der Kurs der Leoni-Aktie kurze Zeit später um 50 % ab. Von diesem Crash hat sich der Titel bis heute nicht erholt, obwohl er zuletzt aufsteigende Tendenz zeigte. Es gibt also einen gewissen Klärungsbedarf zwischen Aufsichtsrat und Vorstand, davon können wir ausgehen. Ich bin dennoch der Meinung, dass die Anleger angesichts der Nachricht zunächst eher Hoffnung schöpfen als Streit befürchten werden.
Doppelfunktion bei Leoni und Grammer
Ein weiterer Interessenskonflikt könnte sich allerdings aus der Tatsache ergeben, dass Probst derzeit als Aufsichtsratsvorsitzender von Grammer fungiert. Beide Unternehmen sind Konkurrenten in der Autozuliefererbranche. Leoni ist auf Kabel, Drähte und Bordnetz-Systeme spezialisiert. Grammer fertigt vor allem Sitze und Konsolen, aber teilweise auch Elektronik. Grundsätzlich haben beide Firmen also unterschiedliche Profile. Dennoch könnte die Personalie vor diesem Hintergrund potenziell heikel sein, da Probst vermutlich in beiden Fällen Insider-Wissen über die gleichen Märkte und Kunden besitzt. Und aus der Pressemitteilung von Leoni geht nicht hervor, ob Klaus Probst eventuell sein Amt bei Grammer ruhen lässt, sollte er am 11. Mai zum Aufsichtsratsvorsitzenden von Leoni bestätigt werden.