Lieber Investor,
Sollte es ausgehend von den Bausparkassen an dieser Stelle tatsächlich in den nächsten Jahren zu einer Kündigungswelle kommen, kommt viel Geld auf den Markt, das wieder neu angelegt werden will. Für Berater, die allein von den Provisionen leben, welche die von ihnen vermittelten Produkte abwerfen, ist dieses vom BGH vermittelte Extrageschäft ein Geschenk des Himmels.
Sie werden sich mit Nachdruck um diese Kunden kümmern. Auch deshalb, weil sie wissen, dass die gekündigten Kunden mit einer gewissen Wut im Bauch agieren. Der bisherige Vertragspartner scheidet aus, weil man sich von diesem nach zehn Jahren nicht noch einmal höchstrichterlich sanktioniert über den Tisch ziehen lassen will und damit ist die Tür zu einem Wechsel des Vertragspartners und der Anlageform schon ein ganzes Stück weit aufgestoßen.
Gefährlich wird es dann, wenn die gekündigten Kunden weiterhin hohe Renditen für ihr Geld wünschen und zugleich an einen „windigen“ Berater geraten. Letztere werden kaum Hemmungen haben mit Blick auf die eigene Provision auch solche Produkte zu vermitteln, die für die Kunden eigentlich ungeeignet sind.
Man kann über die Kunden der Bausparkassen bestimmt viel erzählen. Dass sie zu den besonders risikofreudigen Sparern gehören sollen, jedoch eher nicht. Wenn diese Kunden dennoch eine vergleichsweise hohe Rendite wünschen, dann geht das in der heutigen Niedrigzinsphase nur, indem auch das Risiko entsprechend groß gewählt wird.
Konsequenzen weit über das Urteil hinaus
Es ist zu befürchten, dass ein Teil der bislang bei den Bausparkassen und Banken gebunkerten Ersparnisse in risikoreiche Unternehmensanleihen oder Genussscheine umgeleitet werden, ohne dass die Kunden sich wirklich darüber im Klaren sind, wie hoch das Risiko ist, dem sie ihr Geld aussetzen.
Damit soll jetzt nicht gesagt werden, dass Unternehmensanleihen oder Genussscheine per se schlechte Anlageformen sind. Das sind sie gewiss nicht. Sie enthalten nur ein Risiko, das nicht zu jedem Anleger passen will.
Erfahrene Finanzberater wissen, dass Kunden mit Wut im Bauch und Dollarzeichen in den Augen nur äußerst selten einen Gedanken an das mit der Anlage verbundene Risiko verschwenden. Man kann sie relativ leicht zu einem Abschluss überreden, auch wenn das Geschäft hinten und vorne nicht passt.
Zu den Konsequenzen des jüngsten BGH-Urteils könnte somit nicht nur ein massiver Vertrauensverlust der Kunden gegenüber den Bausparkassen und anderen etablierten Finanzanbietern gehören, sondern auch eine Fehlallokation von Kapital, die in einigen Jahren die Gerichte erneut beschäftigen wird. Dann jedoch wird es weniger um Zinsen und Kündigungsfristen und mehr um die Frage Fehlberatung oder nicht gehen.