Der Euro tendendiert in den letzten Tagen und Wochen drastisch schwächer zum Schweizer Franken. Am Dienstag fiel der Euro sogar auf Rekordtief. Der Schweizer Franken gilt zwar international als "Fluchtwährung". Möglicherweise stecken aber auch noch andere Gründe hinter der Flucht in die Schweizer Währung. Kommt der Goldfranken?
von Peter Boehringer
EUR/CHF live
Seit Tagen ist der Euro zum Schweizer Franken kräftig unter Druck. Am Dienstag bekam man für 1 Euro nur noch gut 1,155 CHF! Das ist schon bemerkenswert - auch wenn inzwischen wieder nach oben gezogen wird und auch wenn es natürlich einige "traditionelle" Erklärungen gibt, der ich aber noch eine neue hinzufügen will:
Zunächst die üblichen - und sicherlich auch zT richtigen Erklärungen:
1. Momentum-Trading von Short-Zockern.
2. Reihenweises Reissen von Stop-Loss-Grenzen bei EUR/CHF, selbstverstärkend bis zur massiven kurzfristigen Untertreibung.
3. EUR-Bashing der angelsächsischen Fonds, die "endlich" den IWF in die neuen GR-Bailout-Verhandlungen (120 Mrd EUR) involviert sehen wollen, damit die Bailout-Ergebnisse (think: "freiwillige Beteiligung der Banken") auch "korrekt" herauskommen.
4. Echte und prinzipiell berechtigte Sorge um den EUR (Scheitert ein ITA-Bailout, scheitert der EUR,scheitert die EU - ist aber noch nicht meine Prognose!).
5. Antizipation der echten (wenn auch verfassungswidrigen) Transferunion, sei es durch explizite EURo-Bonds oder durch weitere Billionen-schwere Garantien / Haftungsübernahmen im Rahmen eines auf 1,5 Billionen erweiterten EFSF oder eben ab 2013 des Billionen-schweren ESM.
6. Antizipation weiterer heimlicher Aufkäufe von PIGS-Toilettenpapier (vulgo: "Staats-Anleihen") durch die EZB.
7. Antizipation einer grenzenlosen Garantie aller EUropäischen Staatsanleihen in einer neuen Durchhalterede von Merkel à la 5. Oktober 2008 ("Wir garantieren alle deutschen Sparguthaben"; damals waren das "nur" lächerliche 600 Mrd EUR)
8. all of the above
Und dann wäre da eben noch die neue (bzw. uralte...) Variante, die zwar 2011 nicht umgesetzt wird, die aber inzwischen in der Schweiz ganz offen diskutiert werden darf: Eine Initiative der SVP schlägt die (parallele) Einführung eines Gold-Frankens als gesetzlichem Zahlungsmittel vor. Das ist in der Schweiz nicht ganz abwegig - immerhin wurde die letzte Golddeckung in CH nicht wie in allen anderen Ländern 1971, sondern erst 1999/2000 abgeschafft! Das damalige Niveau EUR/CHF von etwa 1,45 zum Zeitpunkt der Abschaffung der CHF-Golddeckung hat der EUR ggü. CHF übrigens erst 2010 im Zuge der EUR-Krise wieder unterschritten!
Was genau also könnte hier (zusätzlich zu oben 1-8) antizipiert werden? Lesen Sie hierzu diesen Artikel - interessanterweise nur auf englisch verfügbar - auch noch 4 Tage nach Erscheinen:
"ZURICH (MarketWatch) — The Swiss Parliament is expected later this year to discuss the creation of a gold franc — a parallel currency to the official Swiss franc, with the fringe initiative likely triggering a broader debate about the role of the precious metal in the Alpine nation. The initiative is part of “Healthy Currency,” a campaign sponsored by politicians from the right-wing Swiss People’s Party (SVP) — the country’s biggest — that is seeking to capitalize on popular fears about global financial turmoil and inflation to reverse the government’s current policy on gold. "
Ich behaupte explizit nicht, dass dies in CH in absehbarer Zeit so zur Abstimmung bzw. Einführung kommt. Die Abschaffung der Goldbindung des Frankens kam weder vor 20 Jahren (die Schweiz trat 1992 dem IWF bei, der angeblich in seinen Währungsstatuten Mitgliedsländern eine Golddeckung untersagt!) zur Volksabstimmung - noch 1999/2000 bei der eigentlichen technischen Abschaffung der Golddeckung. Die berühmte schweizer direkte Demokratie kam hier in dieser so enorm wichtigen Sache nicht zur Anwendung - auch die Schweiz ist seit langem globalistisch usurpiert.
Und ich behaupte auch nicht, dass die Einführung eines goldgedeckten "Zusatzfrankens" parallel zum Papierfranken automatisch alles zum Besseren ändern würde. Auch die kürzlich eingeführte Golddeckung des Dollars in Utah ist wertlos, solange nicht explizit Kurantgeld (Münzgeld, physisch) in sehr kleinen Stückelungen und ohne MWSt und ohne Aufgeld ausgegeben wird, was weder Salt Lake City noch Bern tun werden.
Es wird kurzfristig auch keine in Gramm- oder Unzen geführten Spar- und Girokonten geben; und auch keine privatwirtschaftlich geschlossenen Verträge in Goldgramm-Denomination, für deren Erfüllung (wichtig!) von den USA oder der Schweiz staatlicher Rechtsschutz gewährt bzw. garantiert würde. Genau das wäre aber Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung einer parallelen Goldwährung, wie sie die SVP nun (etwas naiv und plakativ) fordert.
Trotzdem ist alleine die Debatte ein Zeichen des Kommenden. Etwa 2015 sprechen wir darüber - dann werden die Menschen nach der Golddeckung [oder nach fast jeder anderen glaubhaften Währungsdeckung] schreien. Dann im Inflationschaos allerdings weltweit und nicht nur in der Schweiz!
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