Issing: EZB trägt Mitschuld an Aufschnüren des italienischen Sparpakets. "Die EZB hat mit den Käufen von Staatsanleihen die Zinskosten für Italien und Spanien nach unten gedrückt und so die Sanktionsfunktion des Marktes geschwächt."
Den Aufkauf italienischer und spanischer Staatsanleihen durch die EZB hat deren früherer Chefvolkswirt, Otmar Issing, mit deutlichen Worten kritisiert. "Eine Notenbank, die einspringt, weil die Regierungen versagen, gefährdet ihre Unabhängigkeit", sagt Issing im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. "Die EZB hat mit den Käufen von Staatsanleihen die Zinskosten für Italien und Spanien nach unten gedrückt und so die Sanktionsfunktion des Marktes geschwächt." Damit trage die EZB Mitschuld, dass Italiens Premier Silvio Berlusconi das italienische Sparpaket aufgeschnürt hat. "Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten: Die italienische Regierung hat das jüngste Konsolidierungspaket prompt aufgeweicht. Das zeigt, dass in der Währungsunion wirklicher Konsolidierungsdruck nur von den Märkten ausgeht." Die EZB stehe nun unter Druck, weiterhin Anleihen aufzukaufen. "Die EZB hat die Erwartungen geweckt, dass sie möglicherweise weiter die Anleihekurse von Krisenländern stützen wird. Sie droht damit zur Gefangenen ihrer früheren Entscheidungen zu werden."
Kritisch sieht Issing auch die Pläne, wonach die europäischen Rettungsschirme EFSF und ESM durch Anleihekäufe den Druck der Märkte mildern sollen. "Das sehe ich mit großer Sorge. Es gibt ja nach wie vor Politiker, die behaupten, Spekulanten hätten die Euro-Krise verursacht. Das ist aber eine Mär. Mit der Erweiterung des Rettungsfonds wird ein Erwartungsdruck aufgebaut, der zu ständig neuen Interventionen führen wird."
Noch schlimmer sei die mögliche Einführung von Euro-Bonds. Sie würden Deutschland jährlich mit Milliardenbeträgen belasten. "Euro-Bonds, egal, in welcher Variante, sind der Tod einer Währungsunion stabilen Geldes. Aus Sicht der Krisenländer ist es sicherlich verlockend, auf einen Schlag Zugang zum Kapitalmarkt zu sehr viel niedrigeren Zinsen zu bekommen. Die Bonds des EFSF rentieren rund 0,8 Prozent höher als Bundesanleihen. Wäre der Spread bei Euro-Bonds nicht höher, würde das Deutschland auf längere Sicht schon einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr kosten."