Direkt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts traf MMnews EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Dieser zeigte sich angesichts des Ergebnisses erleichtert. - "Der Euro ist sicher". - Auch gegen Eurobonds? - Greenspan und der Euro.
Gut gelaunt: Der Chef der EZB, Jean-Claude Trichet und Michael Mross in Berlin.
von Michael Mross
Von der Öffentlichkeit bisher völlig unbemerkt absolvierte EZB-Chef Jean-Claude Trichet eine Stippvisite in Berlin. Mit dabei war ein kleiner Stoßtrupp der EZB-Hierarchie. Nur wenige Stunden nach dem Richterspruch in Karlsruhe traf MMnews den EZB-Chef in der Hauptstadt. Über die genaue Mission wollte man sich nicht äußern – denn der Arbeitsplatz von Trichet ist ja bekanntlich Frankfurt. Offensichtlich ging es darum, die Politik auf die kommenden Probleme einzunorden.
Ob er zufrieden sei mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möchte ich vom EZB-Chef wissen. Dieser bejahte mit einem entspannten Lächeln. Offenbar war selbst den EZB-Oberen der Ausgang des Urteils unbekannt. Das mag einer der Gründe für den Berlin Besuch sein.
„…und der Euro? – lege ich nach, „muss man sich um die Gemeinschaftswährung Sorgen machen?“ – „Nein“ – heißt es klar und deutlich. Was hätte man von einem Notenbankchef wohl auch anderes erwartet. Und Eurobonds?
Im weiteren Gespräch zusammen mit seinem persönlichen Berater wurde noch einmal betont, dass die EZB gar nicht für Euro-Bonds sei. Dafür sei es noch viel zu früh. Die Finanzkrise könne man auch anders in den Griff kriegen. Derzeit gehe es darum, die anderen Staaten fiskalisch auf Gleichklang zum Norden zu bringen – keine leichte Aufgabe, aber zu bewältigen. In der Truppe rund um Trichet – darunter sein persönlicher Berater war keinerlei Stress festzustellen. Trichet selbst gab sich entspannt und frohgelaunt. Die Erleichterung nach dem Karlsruher Urteilsspruch war ihm förmlich anzusehen. Zum Aufkauf von Ramschanleihen aus dem Süden wollte man sich leider nicht äußern.
Denn auch nach „Karlsruhe“ sind die Probleme bekanntlich keineswegs gelöst. Störfeuer sieht man besonders aus Amerika. Die dauernden Downgrades seien sicher kein Zufall, hieß es. Die Zuspitzung der Krise sei vor allem durch Amerika verursacht worden – und diese schieben den Schwarzen Peter nun wieder auf Europa. Das sei unfair. – Ansonsten seien die Kontakte zur Fed aber gut.
Ich möchte wissen, wie es in Frankfurt interpretiert wird, dass Ex-Fed-Chef Alan Greenspan im Interview davon spricht, dass der Euro zerbricht.
Klare Propaganda – kriege ich zur Antwort. Und das überrascht mich ein wenig. Greenspan arbeite derzeit als Berater beim Hedgefondsmanager John Paulson und der spekuliere wie viele andere auf den Niedergang des Euros. Das werde aber nicht passieren. Was davon zu halten sei, dass ein Ex-Fed-Chef den Euro kaputtredet stehe allerdings auf einem anderen Blatt. Wenn umgekehrt ein EZB-Chef öffentlich auftreten würde und den Dollar zerredet, würde das sicherlich ernsthafte diplomatische und politische Konsequenzen haben.
Anderes Thema: Schweiz. Ich würde gerne erfahren, ob die EZB bei der Koppelung des Frankens an den Euro „mitgeholfen“ habe. Das wird allerdings vehement verneint. Die Schweiz hätte aus freien Stücken gehandelt, es habe keinerlei Druck gegeben.
Zum Schluss dann noch die Gretchenfrage, an die ich mich langsam herangetastet habe: „Ist die Krise nicht eine systemische Krise, eine Geldsystemkrise, die systemimmanent programmiert ist?“
Die Jungs von der EZB schauen mich etwas unverständlich an: „Sie meinen, was man so im Internet liest?“ – „Ja“ – entgegne ich. „Ist der Untergang nicht programmiert wegen zwangsläufig steigender Schulden?“
Also das, so wird mir erklärt, könne man sich ja mal abends zwischen 22 und 24 Uhr im Internet anschauen. Aber mit der Realität hat es gleichwohl nichts zu tun. Natürlich könne man die Schuldkrise lösen: indem mehr Haushaltsdisziplin bei den Staaten einkehrt und Schulden zurückgezahlt werden. - Nun schaue ich etwas verwundert. Die Geldgötter in der EZB: das Geldsystem haben sie wohl in voller Gänze nicht begriffen. Schauspielerei war jedenfalls ganz offensichtlich nicht im Spiel.