Israel ist zu dieser Jahreszeit das beste Urlaubsland. Nicht weit weg von Europa, immer noch Hochsommer und für Abwechselung ist ebenfalls gesorgt.
Israelischer Frühling? Michael Mross beim Zeltprotest mitten in Tel Aviv
von Michael Mross
Israel – über kaum ein Land wird heftiger diskutiert – nur die wenigsten waren da. Dass die Wirklichkeit vor Ort viel facettenreicher ist als man es im Mainstream lesen kann, versteht sich von selbst. Dabei ist es ganz einfach, mal vorbei zu fliegen. Tel Aviv ist von Deutschland nicht weit entfernt. Wie wär’s mit Urlaub?
„Kann man in Israel Urlaub machen?“ – fragt mich ein Freund besorgt. Ja, man kann. Das Land ist nur 3,5 Flugstunden entfernt und bietet die schönsten Strände des Mittelmeeres. Mitte September: Wasser und Luft: 30 Grad, blauer Himmel. Doch viele Menschen scheuen die Reise ins „Heilige Land“ wegen der politischen Spannungen im Nahen Osten – in deren Mittelpunkt oft Israel steht. Eigentlich noch ein Grund mehr, vorbeizuschauen.
Die Stimmung im Land schwankt zwischen entspannt bis gespannt. Viele Israelis wollen einfach nur ganz normal leben. Doch die Konflikte sind allgegenwärtig: Was ist mit den Besetzten Gebieten? Wie bedrohlich ist die Entwicklung in den Nachbarstaaten? Was ist mit Ägypten? Und neu: wie geht es innenpolitisch weiter, nachdem letzte Woche fast 5% der Bevölkerung Israels auf die Straßen gegangen sind.
Dieses Problem schwelt immer noch. Auslöser auch hier: gestiegene Nahrungsmittelpreise. Der Zündfunke sprang auf die Massen über, als eine bestimmte Käsesorte plötzlich übernacht 50% teurer wurde.
Hohe Inflationen, teure Wohnungen, Arbeitslosigkeit - das alles führt vor allem junge Leute auf die Straßen. Es war die größte Demo in der Geschichte Israels und die Aktion dauert an: Davon zeugt immer noch ein Zeltlager auf der Prachtstraße Tel Avivs, der Avenue Rothschild: So weit das Auge reicht Zelte auf dem grünen Mittelstreifen. Weil die Menschen kaum noch Wohnraum bezahlen können, campieren sie aus Protest kurzerhand auf den Straßen. Auch in Jerusalem kann man das sehen.
Überall Plakate, Diskussionsrunden, Aufbruch. Die Themen reichen von höheren Lohnforderungen, über Subventionierung von Wohnraum bis hin zur Schaffung eines neuen Wirtschaftssystems – das jedenfalls wird auf einem riesigen Transparent gefordert, welches irgendwo über den Zelten flattert. Abends dann Partystimmung im städtischen Zeltlager zwischen Technorhythmen und traditioneller jüdischer Folklore.
Israel ist derzeit sicherlich eines der interessantesten Länder der Erde – nicht nur weil das Land im Zentrum geopolitischer Konflikte steht. Wer durchs Land fährt, erlebt überall religiös durchtränkte Geschichte. Ich habe nirgendwo auf dem Globus mehr Religionen und Kulturen auf so engem Raum gesehen. Dass es zu Konflikten kommt, scheint programmiert – muss aber nicht sein. Trotz sehr unterschiedlicher Interessenslagen, Überzeugungen, Kulturen leben die meisten Menschen friedlich miteinander. .
Das zeigt sich auf banaler Weise wenn’s dem Wochenende zugeht: Am Freitag ist für die Moslems „Sonntag“. Am Samstag haben die Juden ihren Ruhetag. Und am Sonntag machen die Christen Pause. Ein ziemlich langes Wochenende also.
Abends sitzen wir in Jaffo, das ist die Altstadt von Tel Aviv. Die Mittelalterlichen Bauten sind fest in der Hand armenischer Christen, bewohnt wird die Gegend jedoch überwiegend von Arabern – unschwer zu überhören, wenn der Muezzin ruft. Friedlich geht’s hier zu. Warum nicht überall? Nebenan spielt eine arabische Kapelle exotische Weisen. Ein paar Meter weiter konkurrieren jüdische Melodien bei einer Hochzeit. Ein wunderbarer Sommerabend.