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Banken vor Schafott

Staaten werden in Zukunft nicht mehr alle Banken retten können. Bis zu 20% der westlichen Finanzinstitute steht vor dem Aus - auch große Banken werden untergehen. - Der Euro ist die Nadel, der den Luftballon der gegenwärtigen Finanzindustrie zum Platzen bringt. - Das Schafott ist nunmehr errichtet und mindestens jede zehnte Bank in den westlichen Staaten wird die Stufen zu ihm hinaufsteigen.


von GEAB

Die Welt- und öffentliche Ordnung zerfällt im gleichzeitigen Ansturm der Währungs-, Finanz-, Wirtschafts-, Sozial und Politikkrisen. 2010 und auch noch zu Jahresanfang 2011 dominierte die Legende von einem Aufschwung und dem Ende der Krise in den Medien. Daran glaubt so gut wie niemand mehr. Regierungen, Unternehmen und Privatpersonen treffen heute ihre Entscheidungen in dem Bewusstsein vom prekären Zustand dieser Welt. Dies erzeugt ein latentes Gefühl der Panik, das sich in den kommenden Jahren noch verstärken wird.

 

Angesichts der allgemeinen Lage ist dies auch sehr verständlich: Soziale Spannungen wachsen, Unruhen brechen aus, die Politik ist ohnmächtig, Regierungen stehen vor dem Zusammenbruch, die Weltwirtschaft versinkt in Rezession, mangels Kapitalausstattung droht vielen Banken der Bankrott.  Tausende Milliarden US-Dollar an Scheinvermögen haben sich in den letzten drei Monaten in Luft aufgelöst, die Arbeitslosigkeit steigt...


Der katastrophale Zustand des Weltfinanz- und Wirtschaftssystems wird im ersten Halbjahrs 2012 eine «Dezimierung (1) der Banken in den westlichen Staaten» provozieren. Ihre Erträge brechen ein, ihre Bilanzen stecken voller Scheinwerte, ihre Geschäftspraktiken wollen die Staaten einer schärferen staatlichen Kontrolle unterwerfen, einigen Banken droht sogar die Verstaatlichung, und ihr Erscheinungsbild in den öffentlichen Meinungen ist auf dem Tiefpunkt. Das Schafott ist nunmehr errichtet und mindestens jede zehnte Bank in den westlichen Staaten wird in den nächsten Quartalen die Stufen zu ihm hinaufsteigen.
 
(1) Die Dezimierung war eine Sanktion in der römischen Armee: Wenn eine Truppe sich der Feigheit vor dem Feind oder Befehlsverweigerung schuldig gemacht hatte, wurden zehn Prozent der Mannschaft ausgelost und mit dem Tod bestraft.

Die Dezimierung, von der wir hier sprechen, ist bei genauer Betrachtung eine dreifache, deren schwerwiegendste Folge darin bestehen wird, dass – nach unserer Einschätzung – zwischen 10% und 20% der Banken vom Markt verschwinden werden. Dreifach ist sie, weil
  • die Zahl der Mitarbeiter dezimiert wird;
  • die Profite dezimiert werden;
  • und schließlich auch, wie bereits erwähnt, die absolute Zahl der Banken dezimiert wird.

Zweifelsohne spielen auch Griechenland und der Euro dabei eine Rolle, wie wir in vorhergehenden Ausgaben des GEAB geschrieben haben; aber sie sind Auslöser, nicht Verursacher. Die Schulden Griechenlands von heute sind die unethischen Geschäftspraktiken der Banken von gestern, die in der aktuellen Krise für alle sichtbar werden; der Euro ist die Nadel, der den Luftballon der gegenwärtigen Finanzindustrie zum Platzen bringt. Es sind die beiden Finger, die auf das Problem deuten; sie sind aber nicht das Problem. Nach dem chinesischen Sprichwort sieht aber der Idiot immer nur den Finger des Weisen und nicht das, auf das er deutet.


Wenn man die Zukunft der Banken der westlichen Staaten vorhersagen möchte, muss man nach London und der Wall Street schauen. Denn dort sammeln sich die Herden der Banker, um jeden Abend ihren Liquiditätsbedarf an der Dollarquelle zu stillen. Und der Zustand des westlichen Bankensystems lässt sich an der Entwicklung der dortigen Mitarbeiterzahlen der Banken und ihrer Ertragslage ablesen. Anhand dieser beiden Faktoren kann man ablesen, ob sie überleben oder verschwinden werden.


Die Dezimierung der Bankmitarbeiter

Für die Mitarbeiter der Banken sieht das Bild recht düster aus. Nicht einmal die „Stars“ unter den Bankers können sich ihres Arbeitsplatzes noch so sicher sein. Seit Mitte 2011 folgt an Wall Street und in der City eine Massenentlassungen der vorhergehenden auf dem Fuß; auch die zweitrangigen Finanzplätze wie die Schweiz und europäische und japanische Banken bleiben davon nicht verschont. Insgesamt sind in zwei riesigen Entlassungswellen mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze in der Finanzindustrie verschwunden:

Die erste überspülte 2008-2009 den Bankensektor, die zweite vor dem Sommer 2011. Die Katastrophe ist aber noch nicht überstanden; das Wasser steigt Monat für Monat höher. Die Vorstände der großen Banken der westlichen Staaten haben aber keine andere Wahl: Sie müssen Kosten senken. In der gegenwärtigen weltweiten Rezession, wegen der - als Folge der aktuellen geopolitischen Umbrüche und der Gewichtsverschiebung in der Weltwirtschaft  - geringeren Kapitalzuflüsse in die USA und nach Großbritannien sowie der einsetzenden Regulierung der Finanzindustrie (die mehr und mehr den Banken die gerade in den letzten zehn Jahren so besonders rentablen Geschäftsfelder entzieht und lukrativen Finanzpraktiken verbietet) steht den Banken das Wasser bis zum Hals.


Die einfachste Lösung ist da natürlich, abertausende Mitarbeiter auf die Straße zu setzen. Aber noch nicht einmal dabei beweisen die Banker Weitsicht und machen entsprechend ihrer Geschäftslage einen harten, aber einmaligen Schnitt. Vielmehr stellen sie ungefähr alle sechs Monate fest, dass sie das Ausmaß des Problems zu gering eingeschätzt haben und sie eine weitere Entlassungswelle entfesseln müssen.

Da sich für November und Dezember 2011 in den USA ein perfekter Sturm in Politik und Finanzindustrie ankündigt, gehen wir davon aus, dass zu Beginn 2012 mit einer neuen Entlassungswelle zu rechnen sein wird. Wenn man weiß, dass bei Goldman Sachs inzwischen aus Kostengründen die Zahl der Grünpflanzen in den Büros begrenzt ist, kann man sich ausrechnen, dass die Kostenjäger der Banken in den nächsten Quartalen viel zu tun haben werden. Wenn sogar die Grünpflanzen in den Büros abgezählt werden, weiß man, dass bald die pink slips zahlreich in die Büros flattern.


Die Dezimierung der Bankenzahl

Das Bankensystem der westlichen Staaten ähnelt immer mehr ihrer Stahlindustrie in den siebziger Jahren. Die Stahlkönige hatten geglaubt, die Herren der Welt zu sein (sie mischten sich sogar in Weltpolitik ein, als sie sich aktiv am Ausbruch der Weltkriege beteiligten); als die Banker in die Rolle der „Herren des Universums“ schlüpften, glaubten sie sogar an ihren göttlichen Auftrag, wie der Vorstandsvorsitzende von Goldman Sachs in einem Interview zum Besten gab. Die Stahlindustrie war damals und durch Jahrzehnte hindurch die „Speerspitze“ wirtschaftlicher Macht, Ausdruck der wirtschaftlichen Potenz eines Staates. Macht wurde in Millionen Tonnen Stahl ausgedrückt, wie später in Milliardengewinnen für Banken und Millionen–Boni für Banker und Händler. Und dann veränderten sich die Bedingungen.


Bei der Stahlindustrie vollzog sich der Wandel in zwei Jahrzehnten (bei den Banken in lediglich zwei bis drei Jahren: Verschärfter Wettbewerb, einbrechende Erträge, Massenentlassungen, Verlust des politischen Einflusses, Ende der Riesensubventionen und schließlich Verstaatlichung und/oder Restrukturierung, an deren Ende die Stahlindustrie auf ein Maß geschrumpft war, das im Vergleich zu seiner Hochphase winzig war. Die Banken stehen erst am Beginn der Verstaatlichung-/Restrukturierungsphase, aber sie können bei einem Blick zurück auf die Stahlindustrie schon sehen, wohin ihre Reise bis 2013 geht

 

An der Wall Street mussten sich Goldman Sachs, Morgan Stanley und JPMorgan schon von heute auf morgen in normale Geschäftsbanken wandeln, um 2008 vom Staat gerettet werden zu können. In Großbritannien musste der Staat ganze Teile des Bankensystems verstaatlichen; bis heute zahlt der britische Steuerzahler dafür einen hohen Preis. Denn die Kurse der Banken sind 2011 erneut in den Keller gerutscht.


Das gilt überhaupt für den gesamten Bankensektor in den westlichen Staaten: Die meisten privaten oder börsennotierten Finanzinstitute sind heute fast wertlos. Ihr Börsenwert hat sich geradewegs in Luft aufgelöst. Ab 2012 steht damit den Staaten die Möglichkeit offen, sie relativ preiswert verstaatlichen zu können. Wir gehen davon aus, dass die Regierungen der USA und Japans sowie in Europa im nächsten Jahr diesen Schritt gehen müssen.

 
In den USA könnte es Bank of America, CitiGroup oder auch Morgan Stanley  treffen, in Großbritannien  RBS  oder Lloyds, in Frankreich die Société Générale, in Deutschland die Deutsche Bank und in der Schweiz UBS. Es wird auch einige sehr große Banken geben, von denen man momentan noch glaubt, dass sie „too big to fail“ wären, die fallen werden. In ihrem Fall werden sie eine ganze Reihe von kleineren und mittleren Banken mitreißen, wie z.B. die Max Bank in Dänemark, die gerade Bankrott gegangen ist.

Angesichts dieses Blutbads unter den Banken werden sich die Staaten insbesondere in diesen Zeiten der knappen Staatsfinanzen und Sparpolitik, magerer Steuereinnahmen und wachsendem öffentlichen Unmut über Bankenrettung außer Stande sehen, alle Banken zu retten. Die Regierungen werden sich auf eine Wahrung der Interessen der Sparer und der Angestellten konzentrieren müssen. Da ist auch der maximale Gegenwert an Wählergunst zu holen.


Hingegen wäre eine Konzentration auf die Interessen der Bankvorstände und der Aktionäre nicht nur wirtschaftlich ineffizient, wie der Präzedenzfall 2008 gezeigt hat, sondern würde sich auch in der Wählergunst sehr negativ niederschlagen. Finanzaktien werden in dieser allgemeinen Lage massiv an Wert verlieren (Versicherungen inbegriffen, die von der öffentlichen Meinung mit Banken über einen Leisten geschlagen werden). Das wiederum verschlimmert die finanzielle Schieflage der Hedge funds, Pensionsfonds  und andere Finanzoperateure, die traditionell eng mit dem Finanzsektor der westlichen Staaten verflochten sind. Dadurch wird der Kreditmarkt noch weiter schrumpfen, was wiederum die Rezession verschärfen wird.

 
Da der Finanzmarkt in den westlichen Staaten deutlich schrumpfen wird, werden auf ihm auch entsprechend weniger Banken Platz finden. In einigen Ländern, insbesondere in denen, in denen die großen Banken unter sich mehr als 70% des Gesamtmarkts ausmachen, wird dies unweigerlich dazu führen, dass auch große Banken untergehen. Da können deren Vorstände, Stresstestorganisatoren oder auch Rating Agenturen anderes behaupten so lange und so laut sie wollen. Als Aktionär  oder Kunde einer Bank, die im ersten Halbjahr 2012 verschwinden könnte, sollte man natürlich Vorkehrungen treffen.

Wir werden in dieser Ausgabe entsprechende Empfehlungen vorlegen. Wenn man Vorstand oder Angestellter einer solchen Bank ist, sieht die Lage schwieriger aus. Denn inzwischen ist nach unserer Auffassung die Krise soweit fortgeschritten, dass zahlreiche Insolvenzen nicht mehr vermieden werden können. Aufgrund der vorhergegangen Massenentlassungen wird es nicht leicht sein, im Bankensektor wieder Fuß zu fassen. Wer aber Angestellter einer Bank ist, dem man ein interessantes Angebot für einen freiwilligen Abschied vorlegt, dem raten wir, es anzunehmen. Denn in einigen Monaten sind Abschiede nicht mehr freiwillig und sie werden auch nicht mehr von Abfindungszahlungen begleitet.

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