Ökonomen warnen vor gravierenden Folgen eines Griechenland-Referendums für Finanzsystem. Zwar sei es „für sich genommen nicht falsch“, wenn der griechische Premier Giorgos Papandreou versuche, für seine Politik zur Umsetzung der Gipfelbeschlüsse der Euro-Staaten aus der letzten Woche eine neue Legitimation zu bekommen. Doch bei einem Nein im Plebiszit drohe das „Schuldenevent“, das mit den Beschlüssen vermieden werden sollte.
Papandreou habe so aus guter Absicht Europa bereits „großen Schaden“ zugefügt, zumal auch nicht klar sei, worüber die Griechen eigentlich abstimmen sollen. „Den einseitigen, freiwilligen Schuldenerlass der Kreditbanken? Wohl kaum. Die Hilfen der Euro-Partner und des IWF? Da ist doch längst durch. Die notwendige Restrukturierung der Staatsfinanzen? Darüber wären dann aber Neuwahlen herbeizuführen, und man müsste nicht sogleich Europa so stark in Mitleidenschaft ziehen“, erläuterte Hüther und fügte hinzu: „Alles in allem scheint es wie ein politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tode. Da sollte man dann alleine machen.“
Auch der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, warnte bei Handelsblatt Online, verliere Papandreou das Referendum, dann scheitere auch die europäische Rettungspolitik der Billionen-Euro-Pakete. Griechenland wäre dann „über Nacht pleite und speziell die deutsche Regierung müsste ihren Wählern die dann eintretenden Milliardenverluste aus Garantieversprechen erklären“. Daher werde die europäische Politik zittern. „Aber vielleicht wird sie aus der Not eine Tugend machen und ernsthaft über andere Krisenmechanismen nachdenken: über eine Insolvenzordnung für Euro-Staaten etwa oder über Verfahren zum freiwilligen oder zwangsweisen Austritt aus der Währungsunion“, sagte der Ifo-Experte. Hoffentlich mache sich dann die Erkenntnis breit, dass es sich bei der Währungsunion nicht um eine Schicksalsgemeinschaft handele: „Griechenland gäbe es auch ohne den Euro“, sagte Carstensen. „Und Europa scheitert nicht, wenn der Euro in Griechenland scheitert.“
Gleichwohl gestand Carstensen Griechenland das Recht zu, sich mittels einer Volksabstimmung zu vergewissern, ob die eingeschlagene politische Richtung von der Mehrheit der Bürger mitgetragen werde. Ein Referendum könne die Legitimation der massiven Reformpolitik stärken und zwänge die Opposition, Farbe zu bekennen. „Vielleicht könnte es sogar der Beginn einer „Regierung der nationalen Einheit“ sein“, sagte der Ifo-Experte.
Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, ist sogar überzeugt, dass Papandreou angesichts der harten Einschnitte die Legitimation des gesamten griechischen Volks braucht. „Es gibt somit die Chance, dass als Folge der nunmehr beginnenden Debatte eine Mehrheit der griechischen Regierung die notwendige Legitimation verleiht und damit zeigt, dass die harten Demonstrationen nicht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung entsprechen“, sagte Horn Handelsblatt Online. Der IMK-Chef fügte aber hinzu: „Kommt diese Mehrheit allerdings nicht zustande, gehen sowohl in Griechenland als auch im Euro-Raum die Lichter aus.“
Der Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater, äußerte die Hoffnung, dass die Griechen bei einem Referendum ihre Regierung und damit die Gipfelbeschlüsse mehrheitlich unterstützen. „Denn es würde zumindest indirekt eine Abstimmung über die Mitgliedschaft in den europäischen Institutionen sein“, sagte Kater Handelsblatt Online. „Das, was die Parteien anscheinend nicht hinbekommen, nämlich eine nationale politische Allianz, wird durch ein Referendum geklärt werden.“ Kater geht davon aus, dass in diesem Zusammenhang auch in Griechenland diskutiert werde, dass ein Scheitern des Referendums die Möglichkeit eines klassischen Defaults bedeute und damit noch schmerzvoller ausfalle. „Aus Kapitalmarktsicht ist die hiermit verbundene Unsicherheit und der abermalige Vertrauensverlust bei der Problemlösung wiederum ein Zeichen dafür, dass die Funktionsmechanismen des Euro dringend überarbeitet werden müssen“, sagte Kater.