DIW: Für eine Anhebung des Einkommensteuer-Spitzensatzes gibt es derzeit genug Spielraum. Die oft befürchteten Anpassungs- und Ausweichungsreaktionen sollten nach Meinung der Experten nicht überbewertet werden. „Reaktionen auf dem Arbeitsmarkt dürften gering ausfallen, da nur Arbeitnehmer mit höheren Einkommen betroffen wären“
Für eine Anhebung des Einkommensteuer-Spitzensatzes gibt es derzeit genug Spielraum. Zu diesem Fazit kommen die Steuerexperten Stefan Bach und Peter Haan im aktuellen Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Darin haben sie berechnet, dass mit einer stärkeren Besteuerung der höchsten Einkommen jährliche Steuermehreinnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro erzielt werden könnten. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass auch Verdiener unterhalb der aktuellen Reichensteuergrenze höher belastet werden.
„Klar ist, dass ein nennenswertes Mehraufkommen nur dann erzielt werden kann, wenn der Spitzensteuersatz bei einem Einkommen deutlich unter 250 000 Euro einsetzt“, erklärt Stefan Bach. Er und sein Kollege haben ein Modell berechnet das eine Verlängerung der linear-progressiven Tariffunktion bis zu einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent annimmt. „Bis zu zehn Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen im Jahr wären damit möglich“, so die DIW-Experten.
„Von dem aktuellen Reichensteuerzuschlag, der erst ab einem zu versteuerndem Einkommen von 250 730 Euro gilt, sind momentan nur etwa 45 000 Steuerpflichtige betroffen. Dadurch dürften dem Staat nur 0,8 Milliarden Einnahmen entstehen“, berechnet Bach. Doch gerade bei diesen hohen und sehr hohen Einkommen hat es in den vergangen Jahren starke Zuwächse gegeben, während niedrigere Einkommen stagnieren. „Hier gibt es die Möglichkeit, sowohl im unteren Einkommensbereich zu entlasten, als auch bei Spitzeneinkommen stärker zu belasten“, so Bach.
Die oft befürchteten Anpassungs- und Ausweichungsreaktionen sollten nach Meinung der Experten nicht überbewertet werden. „Reaktionen auf dem Arbeitsmarkt dürften gering ausfallen, da nur Arbeitnehmer mit höheren Einkommen betroffen wären“, begründet Peter Haan. Zudem seien wegen der Dualisierung der Einkommen¬steuer die Unternehmenseinkünfte und vor allem die Kapitaleinkommen nicht von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes betroffen. „Das bedeutet, dass die wohlhabendsten Menschen in unserer Gesellschaft durch diese Maßnahme kaum belastet werden,“ fasst Haan zusammen. „Das heißt einerseits, dass von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes internationale Verlagerungen kaum zu befürchten sind, anderseits heißt es aber auch, dass die wirklich Reichen, also die Personen mit hohen Unternehmens- oder Kapitaleinkommen, mit dieser Maßnahme nicht erreicht würden.“