Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) greift zum letzten Mittel. Per Drohschreiben droht er Grundstücksbesitzern mit Enteignung, wenn sie nicht bauen.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat die ersten 20 Briefe an Grundstückseigentümer verschickt, die er notfalls enteignen will, wenn sie ihr brachliegendes Grundstück nicht bebauen.
In dem Schreiben, das der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) vorliegt, fordert das Stadtoberhaupt die Eigentümer zu einer „verbindlichen Erklärung“ auf, „in spätestens zwei Jahren ein Baugesuch einzureichen“ und innerhalb von vier Jahren „die Schaffung von Wohnraum zu ermöglichen“. Alternativ könnten sie das Grundstück zum Verkehrswert an die Stadt veräußern, schreibt Palmer weiter. „Falls Sie nicht antworten, wird die Stadtverwaltung ein formelles Anhörungsverfahren durchführen.“
Der Begriff "Enteignung" kommt in dem Brief nicht wörtlich vor. Der Bürgermeister bezieht sich aber ausdrücklich auf den Paragraphen 176 des Baugesetzbuchs, der den Eigentümer verpflichtet, „innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen“. Kommt er der Verpflichtung nicht nach, so heißt es im Gesetz weiter, „kann das Enteignungsverfahren eingeleitet werden“.
Palmer hatte den Schritt bereits vor einiger Zeit angekündigt, er war damit auf breite Zustimmung von der Grünen-Spitze über den Städtetag bis hin zum Bundesinnenministerium gestoßen. Hintergrund ist der dramatische Mangel an Wohnraum in Ballungsräumen und Universitätsstädten. Das Tübinger Vorgehen unterscheidet sich vom Volksbegehren in Berlin, das die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände nach Artikel 15 des Grundgesetzes anstrebt.