Eine Gruppe von Kriminellen hat mutmaßlich eine hohe Millionen-Summe durch betrügerische Geldanlage-Plattformen im Internet erbeutet.
Unter den Geschädigten sind nach Recherchen von NDR und SR auch Tausende Deutsche. Konkret geht es um sogenannte Trading-Plattformen: Webseiten, auf denen Nutzerinnen und Nutzer vermeintlich schnelle Gewinne mit Wetten auf Aktienkurse, Währungsschwankungen und andere Finanzgeschäfte machen können. Zum Teil bieten die Seiten auch den Handel mit sogenannten Crypto-Währungen wie etwa Bitcoin an.
Der Deutsche Karsten L. soll der Kopf einer international agierenden Bande sein, die mehrere solcher Seiten betrieben hat. Davon gehen Ermittlerinnen und Ermittler der Staatsanwaltschaft Saarbrücken aus. Sie führt gemeinsam mit der Zentralen Wirtschaftsstaatsanwaltschaft aus Österreich das vermutlich größte Verfahren gegen derartige Anbieter, das es in Europa je gegeben hat. Die Ermittler werfen dem Mann und vier weiteren Beschuldigten, darunter noch ein Deutscher, gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Der Anwalt von Karsten L. reagierte auf eine Anfrage nicht. L. sitzt in Wien in Untersuchungshaft, einige der Beschuldigten sind flüchtig.
Die Betrüger warben potenzielle Opfer gezielt in sozialen Netzwerken an. Nach der Anmeldung und ersten Einzahlungen wurden die Geschädigten in vielen Fällen von selbsternannten Beratern per Chat-Nachrichten und Anruf auf scheinbar besonders lukrative Gelegenheiten hingewiesen und dazu gedrängt, mehr Geld einzuzahlen. Das belegen Chat-Protokolle, die Reporterinnen und Reporter von NDR und SR einsehen konnten.
Den Recherchen zufolge sollen die Betrüger sogar eigene Callcenter betrieben haben, von wo aus sie ihre Opfer telefonisch unter Druck gesetzt haben sollen. Eins dieser Callcenter wurde vor wenigen Wochen im Kosovo durchsucht. Weitere Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gab es in Österreich, Deutschland, Bulgarien und Tschechien. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegenüber SR und NDR.
Geschädigte berichten davon, dass das Auszahlen von vermeintlich erzielten Gewinnen von den Plattform-Betreibern durch mutmaßlich fingierte Software-Fehler verhindert worden sein soll. In anderen Fällen waren die persönlichen Berater plötzlich verreist und konnten die Auszahlungen nicht durchführen. Am Ende stand für nahezu alle Betroffenen ein Totalverlust der eingezahlten Gelder. Die Staatsanwaltschaft geht offenbar dem Verdacht nach, dass auf den Plattformen ohnehin überhaupt kein Handel mit den Geldern stattgefunden hat - hinter den virtuellen Geschäften also nie echte Finanztransaktionen steckten, sondern die mutmaßlichen Betrüger von Anfang an nur das eingezahlte Geld abzweigen wollten.
Die Ermittler gehen davon aus, dass der Hauptbeschuldigte Karsten L. fünf Plattformen betrieben hat. In den Kundendateien allein dieser Anbieter finden sich offenbar die Namen von mehr als 200.000 Deutschen. Ob jeder der Kunden Geld verloren hat und wenn ja, wie viel, ist derzeit unklar. Allein in Saarbrücken werden derzeit 233 Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Trading-Plattformen bearbeitet. Im Durchschnitt hat jeder Geschädigte mehr als 40.000 Euro verloren. Rechnet man den Schaden hoch, könnte die Bande Hunderte Millionen mit den fünf Plattformen erbeutet haben.
Die Aktivitäten der Gruppe könnten sogar noch deutlich umfangreicher gewesen sein, als die Staatsanwaltschaft es L. vorwirft: Nach Informationen von NDR und SR haben die Ermittler bei Durchsuchungen im Ausland Unterlagen sicherstellen können, die darauf hindeuten, dass dieselbe Infrastruktur, mit der diese fünf Plattformen betrieben worden ist, bei insgesamt 387 Webseiten zum Einsatz gekommen sein könnte. Inwiefern L. und die weiteren Beschuldigten mit diesen Seiten zusammenhängen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.