Der Vertrauensverlust bei den Anlegern ist gravierend, zumal die Auswirkungen des widrigen Preisumfelds im Konzern immerhin durch geringere als zunächst kalkulierte Treibstoffkosten abgefedert werden.
Börsen-Zeitung: Im Sinkflug, Kommentar zur Lufthansa von Heidi Rohde
Nachdem es Lufthansa trotz Abstrichen durch die Brüsseler Wettbewerbshüter gelungen war, signifikante Anteile der Pleite gegangenen Konkurrentin Air Berlin zu übernehmen und damit den Marktanteil der eigenen Low-Cost-Tochter Eurowings im deutschen und europäischen Geschäft auszuweiten, kannte der Jubel der Investoren keine Grenzen. Nach einem steilen Kursanstieg 2017 überflog die Lufthansa-Aktie um die Jahreswende die 30-Euro-Marke. Der Marktaustritt von Air Berlin nährte vor allem Hoffnungen auf eine Preisberuhigung in den umkämpften Marktsegmenten der Kurz- und Mittelstrecke.
Indes hatten sich die Anleger zu früh gefreut. Die ertragsstarke Billigkonkurrenz zeigt sich entschlossen, ihr jeweiliges Stück aus dem Air-Berlin-Kuchen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Ryanair, der letztlich die Konzernperle Niki zugefallen ist, kämpft mit Niedrigstpreisen um Marktanteile im europäischen Kurztrip- und Ferienverkehr und nimmt dafür im laufenden Geschäftsjahr auch einen Gewinnrückgang in Kauf; Easyjet ist ebenfalls sehr preisaggressiv auf den innerdeutschen Routen von und nach Berlin.
Die Lufthansa tut sich in diesem Gefecht schwer, denn die Kostenschere zwischen Eurowings und den Wettbewerbern ist noch immer groß, zumal die Sparmaßnahmen nicht im erhofften Tempo vorankommen. Eine tragfähige Mischkalkulation aus höheren Erträgen im geschäftlichen Vielfliegerverkehr und niedrigeren Einnahmen aus dem preisbewussten Urlaubersegment hat die Tochter bisher offenbar nicht gefunden. In der Folge muss Eurowings nicht nur den für dieses Jahr avisierten Turnaround aufgeben, sondern traut sich auch keine Prognose zu, wann dieser stattdessen erreicht werden soll.
Der Vertrauensverlust bei den Anlegern ist gravierend, zumal die Auswirkungen des widrigen Preisumfelds im Konzern immerhin durch geringere als zunächst kalkulierte Treibstoffkosten abgefedert werden. In dieser Lage wird es nicht genügen, auf das langfristig intakte Wachstumsprofil der Luftverkehrsbranche hinzuweisen, um der Aktie neues Leben einzuhauchen. Denn kurzfristig drohen jenseits des Erlösdrucks noch weitere Belastungsfaktoren, falls die diesjährige Sommersaison in organisatorischer Hinsicht nicht wesentlich besser läuft als letztes Jahr - und danach sieht es zumindest aus Sicht von Experten nicht unbedingt aus.
Am Kapitalmarkttag in einer Woche muss der Lufthansa-Vorstand ein überzeugendes Konzept vorlegen, wie Wachstum und Profitabilität gesichert werden sollen, sonst wird sich der Sinkflug der Aktie fortsetzen.