Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erhebt Anklage gegen die VW-Manager Winterkorn, Pötsch und Diess. Den genannten ehemaligen und amtierenden Vorstandsmitgliedern der Volkswagen AG werde vorgeworfen, den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert zu haben, die mit dem Diesel-Skandal in Verbindung stehen, teilte die Behörde am Dienstag mit.
Die drei Manager hätten rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen.
Konkret gehe es dabei um Software-Manipulationen bei Diesel-Motoren des Typs EA 189, so die Staatsanwaltschaft. Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, die Strategie verfolgt zu haben, ohne Offenlegung aller relevanten Umstände mit den US-Behörden einen Vergleich zu erzielen, in dem in der Wortwahl zwar von technischen Problemen, nicht aber von einem Betrug gegenüber Behörden und Kunden die Rede sein sollte.
Zu einem solchen Vergleich kam es nicht, was angesichts der Verärgerung der US-Behörden über die bis dahin von der VW-AG praktizierte Hinhaltetaktik auch zu erwarten war, so die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Die nunmehr 636 Seiten lange Anklageschrift geht davon aus, dass der Angeschuldigte Winterkorn spätestens seit Mai 2015, der Angeschuldigte Pötsch seit dem 29. Juni 2015 und der Angeschuldigte Diess seit dem 27. Juli 2015 jeweils vollständige Kenntnis von den Sachverhalten und den sich daraus ergebenden Schadensfolgen hatten.
Jeder für sich hätte ab jenem Zeitpunkt eine Ad-hoc-Mitteilung veranlassen müssen, was nicht geschehen sei. Tatsächlich wurde der Sachverhalt erst durch die am 18. September 2015 von den US-Behörden veröffentlichte "Notice of Violation" bekannt, so die Staatsanwaltschaft.
Heute wurde ebenfalls bekannt: Daimler zahlt eine Geldbuße in Höhe von 870 Millionen Euro. BMW ist bisher glimpflich davon gekommen.
Verbraucherportal rightnow.eu, das mehr als 11.000 Mandanten im Dieselskandal vertritt, zu den Folgen für Aktionäre und Kunden:
“Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat heute Anklage wegen Marktmanipulation gegen Martin Winterkorn, Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch erhoben. Konkret wird ihnen vorgeworfen, die Volkswagen-Aktionäre zu spät über den Dieselskandal in den USA informiert zu haben. Zudem sollen die drei Manager die möglichen wirtschaftlichen Folgen des Skandals absichtlich und viel zu lange verschwiegen haben, um einem Wertverfall der VW-Aktie entgegenzuwirken.
Die Staatsanwaltschaft hat mehr als drei Jahre in der Sache ermittelt und in ihrer Erklärung exakte Daten genannt, ab wann die drei Funktionäre umfänglich über den Dieselskandal Bescheid wussten. Das lässt darauf schließen, dass der Staatsanwaltschaft diesbezüglich sehr eindeutige und belastbare Beweise vorliegen. Konkret soll es sich dabei unter anderem um Aussagen von ehemaligen VW-Mitarbeitern handeln.
Den drei Managern droht nun eine Freiheitsstrafe von jeweils bis zu zehn Jahren. In ähnlichen Fällen mit einer deutlich geringeren Schadenshöhe wurden teilweise Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren verhängt.
Für Volkswagen könnte durch das Verfahren zudem ein Milliardenschaden entstehen: Wenn die Richter der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgen, könnten Anleger auf der ganzen Welt Volkswagen auf Schadensersatz verklagen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass diese sich vor dem 18.09.2015 Aktien des Konzerns gekauft haben. An diesem Tag informierte VW seine Aktionäre über den Dieselskandal.
Auf deutsche PKW-Besitzer von betroffenen Diesel-PKW hat dieses Verfahren zunächst keinen direkten Einfluss. Dennoch haben diese Fahrzeughalter natürlich weiterhin die Möglichkeit, juristisch gegen VW vorzugehen und ihre Fahrzeuge gegen eine finanzielle Entschädigung, die über dem aktuellen Marktwert des jeweiligen PKW liegt, an Volkswagen zurückzugeben. Grundsätzlich gilt es abzuwarten, ob der Volkswagen-Konzern auch nach Bekanntwerden des Dieselskandals in Europa Information bewusst zurückgehalten haben könnte.”
Foto: Volkswagen-Werk, über dts Nachrichtenagentur