Der Ausverkauf im Essener Thyssenkrupp-Konzern geht in die nächste Runde. Die neue Chefin Martina Merz hat in Gesprächen mit internationalen Stahlunternehmen selbst einen Komplettverkauf der Stahlsparte nicht mehr ausgeschlossen.
Bislang ging es nur um mögliche Beteiligungen. Interessiert an Übernahmen sind etwa der chinesische Stahlriese Baowu, der heute auf Platz zwei in der Welt rangiert, und der schwedische SSAB-Konzern. Ihm werden beste Beziehungen zum umstrittenen Thyssenkrupp-Aktionär Cevian Capital nachgesagt. Als Verkaufspreis ist eine Summe von zwei bis drei Milliarden Euro im Gespräch, sagen Beteiligte.
Damit müsste Thyssenkrupp rund zwei Milliarden auf den höheren Buchwert abschreiben. Hintergrund für die Verkaufspläne ist die desolate Situation des Konzerns. Der Stahlbereich leidet unter Überkapazitäten und Dumpingpreisen. In der Corona-Pandemie fielen wichtige Abnehmer aus. Jeden Tag, berichten Insider, verbrenne die Stahlsparte bis zu drei Millionen Euro Cash. Schon vor einer Woche hatte Merz die Mitarbeiter in einem Brief vor Milliardenverlusten gewarnt und weitere Einschnitte angekündigt.
Ein Komplettverkauf des Stahls dürfte trotzdem nicht ohne Widerstand der Gewerkschaften über die Bühne gehen. Sie hatten gehofft, dass ein Teil der rund 17 Milliarden Euro aus dem erst vor wenigen Monaten beschlossenen Verkauf der Aufzugssparte in die Sicherung der Arbeitsplätze und nicht nur in Schuldenabbau und Abschreibungen fließen würde.
Bei einem Verkauf des Stahls stünde das Unternehmen jedoch ohne seine beiden bislang wichtigsten Geschäftsfelder da. Spätestens dann dürfte auch die Frage diskutiert werden, ob nicht erneut Cevian und die Krupp-Stiftung unter Leitung der Mathematikerin Ursula Gather die eigentlich treibenden Kräfte hinter den Verkaufsplänen sein könnten. Immerhin hat Cevian seit seinem Einstieg bei Thyssenkrupp viele Hundert Millionen Euro verloren; auch die Stiftung steht unter finanziellem Druck.
Ohne Dividendenzahlung, hatte Gather erst kürzlich gewarnt, werde die Stiftung nur noch zwei Jahre auf gewohntem Niveau arbeiten können. Schon beim Aufzugsverkauf war deshalb die Frage einer Sonderdividende für die Eigentümer diskutiert worden. Thyssenkrupp wollte Verkaufspläne nicht kommentieren.