Erstmals nimmt das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY in einem Schreiben an seine Kunden Stellung zu den Vorwürfen, im Fall Wirecard zu nachlässig geprüft zu haben.
"Viele Menschen glauben, der Betrug bei Wirecard hätte früher aufgedeckt werden sollen, und wir verstehen das voll und ganz", schreibt der globale EY-Vorstandschef Carmine Di Sibio in dem Brief, der dem SPIEGEL vorliegt. Er versichert, wie ernst man die Vorwürfe gegen die Firma nehme. "Obwohl wir erfolgreich waren, den Betrug aufzudecken, bedauern wir, dass er nicht früher aufgedeckt wurde."
Man sei mit einem aufwendigen und ausgeklügelten Betrugssystem konfrontiert gewesen, das nicht nur EY, sondern auch Investoren, Banken, juristische und forensische Prüfer und staatliche Aufseher lange Zeit nicht durchschaut hätten. Als EY Bankbestätigungen für Treuhandkonten von Wirecard anforderte, hätte man gefälschte Bankdokumente vorgelegt bekommen, schreibt Di Sibio.
EY ist mittlerweile von zahlreichen betrogenen Anlegern auf Schadensersatz verklagt worden, Prüfkunden wie die Commerzbank haben dem Unternehmen gekündigt. Es drohen jahrelange Gerichtsverfahren, an dessen Ende das Beratungs- und Prüfungsunternehmen in seiner Existenz bedroht sein könnte. Vor allem für den Fall, dass ihm eine vorsätzlich falsche Prüfung nachgewiesen werden könnte.
EY bestreitet jegliche Mitwirkung an dem Betrug durch seine Mitarbeiter. Das teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage des SPIEGEL mit. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die Prüfungshandlungen "professionell und nach bestem Wissen und Gewissen" vorgenommen worden. "Vor diesem Hintergrund weisen wir Anschuldigungen, welche bis zum Vorwurf der Mitwirkung reichen, entschieden zurück", sagte der Sprecher.