Die Staatsanwaltschaft München kritisiert schwere Versäumnisse bei der Aufsicht über den Skandalkonzern Wirecard, schreibt der Spiegel in seiner neuen Ausgabe.
Wichtige Verdachtshinweise seien von der Financial Intelligence Unit (FIU), die für die Geldwäschebekämpfung in Deutschland zuständig ist, zu spät zu den Strafverfolgern gelangt. Bereits am 26. Februar 2019 hatte die Commerzbank bei der FIU eine umfangreiche Verdachtsmeldung eingereicht: 345 auffällige Geldflüsse hatten die Banker bei Wirecard ausgemacht, dubiose Geschäfte über mehr als 350 Millionen Euro, aus der Zeit vom März 2013 bis Januar 2019. Die Hinweise führten, wie sich heute herausstellt, ins Herz des Milliardenbetrugs: Kreislaufgeschäfte, dubiose Firmenkäufe, Untreue – für alles, was Ermittler jetzt beschäftigt, lieferte die Commerzbank damals wertvolle Spuren.
Doch die Informationen blieben stecken. Die FIU leitete die Hinweise der Bank sowie zahlreiche Meldungen anderer Institute erst am 28. Juli 2020 mit einem Analysebericht an das Bayerische Landeskriminalamt weiter, das sie schließlich an die Staatsanwaltschaft schickte. Insgesamt 14 Leitz-Ordner brisantes Material. Man wolle »der FIU nicht die Verantwortung dafür zuschieben, dass durch die doch sehr späte Weiterleitung der Informationen der Commerzbank Anleger beziehungsweise geschädigte Banken – zum Teil sehr hohe – finanzielle Verluste erlitten haben«, teilte die Staatsanwaltschaft dem SPIEGEL auf Fragen zu den Verdachtsmeldungen mit.
Fakt sei aber, »dass die Meldungen, insbesondere der Commerzbank, von der Staatsanwaltschaft zu einem großen Teil als sehr werthaltig eingeschätzt werden«. Die FIU erklärt, sie habe bereits vor Bekanntwerden des Skandals »alle in ihrer Zuständigkeit behandelten relevanten Sachverhalte an die zuständige Strafverfolgungsbehörde unverzüglich übermittelt«.
Nach SPIEGEL-Informationen berichtete die Commerzbank auch der Bafin bereits im Frühjahr 2019 von ihrem Verdacht. Die Finanzaufsicht untersagte am 18. Februar 2019 Wetten auf einen Kursverfall von Wirecard. Am 16. April erstattete sie Strafanzeige gegen »Financial Times«-Journalisten wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Die Bafin verteidigt sich, Adressatin für Verdachtsmeldungen sei die FIU, sie selbst sei erst im Januar 2020 über die Commerzbank-Meldungen zu Wirecard informiert worden.