Der 650-Millionen-Dollar-Rechtsstreit zwischen der Deutsche Oel & Gas S.A. und Energy Capital Partners könnte durch die Besonderheiten des US-Rechtssystems eine überraschende Wendung nehmen.
Die Kombination aus Jury-System und weitreichenden Discovery-Rechten verschafft den Klägern deutliche Vorteile.
Frankfurt/New York, 28. November 2024 - Während in Deutschland Wirtschaftsprozesse traditionell vor Berufsrichtern verhandelt werden, setzt das US-Rechtssystem auf eine andere Strategie - und genau das könnte im aktuellen Rechtsstreit zwischen der Deutsche Oel & Gas S.A. (DOGSA) und dem New Yorker Investmenthaus Energy Capital Partners (ECP) den entscheidenden Unterschied machen.
Die Macht der Jury im US-Finanzsystem
"Das amerikanische Jury-System ist für Finanzriesen wie ECP ein unkalkulierbares Risiko", erklärt Kay Rieck, Gründer der DOGSA und einer ihrer größten privaten Investoren. "Während Berufsrichter oft dazu neigen, komplexe Finanzstrukturen als gegeben hinzunehmen, hinterfragt eine Jury aus normalen Bürgern kritischer, was wirklich fair und gerecht ist."
Diese Einschätzung wird durch historische Präzedenzfälle gestützt. In den vergangenen Jahren haben US-Jurys wiederholt Urteile gefällt, die weit über die ursprünglichen Klageforderungen hinausgingen - besonders in Fällen, wo große Finanzinstitute des systematischen Betrugs überführt wurden.
Discovery: Das scharfe Schwert des US-Rechts
Ein weiterer entscheidender Vorteil des US-Rechtssystems liegt im sogenannten "Discovery-Verfahren". Anders als in Deutschland können die Kläger umfangreichen Einblick in interne Dokumente, E-Mails und sogar private Kommunikation der Gegenseite verlangen. "Das Discovery-Verfahren könnte brisante Details über die wahren Absichten von ECP ans Tageslicht bringen", betont Rieck als Vertreter der Alecto Capital Limited, die als Vertretungsgesellschaft die Ansprüche der DOGSA-Aktionäre bündelt. "Jede interne E-Mail, jedes Memo, das unsere Vorwürfe stützt, wird vor der Jury landen."
Statistisch überlegene Erfolgsaussichten
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Das U.S. Department of Justice verzeichnet in Finanzbetrugsverfahren Erfolgsquoten von bis zu 95%. Noch bedeutsamer: In etwa 95% der Fälle kommt es zu einem Vergleich vor dem eigentlichen Prozess - oft mit Summen, die deutlich über den ursprünglichen Forderungen liegen.
Punitive Damages als Druckmittel
Eine weitere Besonderheit des US-Rechtssystems sind die "Punitive Damages" - Strafzahlungen, die zusätzlich zum eigentlichen Schadenersatz verhängt werden können. "In unserem Fall, wo wir systematische Täuschung und Betrug nachweisen können, könnten diese Strafzahlungen ein Mehrfaches der eigentlichen Schadenersatzforderung betragen", erläutert Rieck.
Jury als Schutzschild für "David"
Die Zusammensetzung amerikanischer Jurys aus zwölf gewöhnlichen Bürgern erweist sich besonders in "David gegen Goliath"-Szenarien als vorteilhaft für die kleinere Partei. "Amerikanische Jurys haben eine lange Tradition darin, die 'kleinen Leute' gegen übermächtige Konzerne zu schützen", erklärt ein beteiligter US-Anwalt. "Der Versuch von ECP, über 10.000 deutsche Privatanleger um ihr Investment zu bringen, dürfte bei einer Jury auf wenig Sympathie stoßen."
Vergleichsdruck steigt
Diese Kombination aus Jury-System, Discovery-Verfahren und der Möglichkeit von Strafzahlungen erhöht den Druck auf ECP erheblich. Branchenkenner erwarten, dass der Finanzriese einen langwierigen Prozess vermeiden und einen Vergleich anstreben wird. "Jeder Tag vor Gericht bedeutet für ECP nicht nur potenzielle Reputationsschäden, sondern auch die Gefahr, dass weitere kompromittierende Details ans Licht kommen", analysiert Rieck.
Fazit: Systemische Vorteile für die Kläger
Das US-Rechtssystem bietet den DOGSA-Aktionären damit deutlich bessere Chancen auf Erfolg als ein vergleichbares Verfahren in Deutschland. Die Kombination aus Jury-Entscheidung, umfassenden Discovery-Rechten und der Möglichkeit von Strafzahlungen schafft einen rechtlichen Rahmen, der die Aufdeckung und Ahndung systematischer Täuschung deutlich begünstigt.
Für die mehr als 10.000 geschädigten deutschen Anleger könnte die Entscheidung, den Rechtsweg in den USA zu beschreiten, damit zum entscheidenden strategischen Vorteil werden. Die nächsten Monate werden zeigen, ob ECP das Risiko eines öffentlichen Prozesses eingeht oder den zunehmenden Druck zum Anlass nimmt, einen substantiellen Vergleich anzustreben.