Chinesische Geheimdokumente offenbaren Angst des Regimes vor dem Westen. Das kommunistische Regime in Peking in der Defensive: „Feindliche Kräfte in- und außerhalb Chinas versuchen, uns zu Veränderungen zu drängen“. Besonders im Fokus der Partei sind Chinas Studenten. Von ihnen geht nach Ansicht der Führung die größte Gefahr für Angriffe auf ihre Autorität aus.
Das kommunistische Regime in China sorgt sich vor der Ausbreitung westlicher Ideen im eigenen Land und will hart dagegen vorgehen. In internen Dokumenten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, aus denen die Berliner Zeitung zitiert (Dienstagsausgabe), fordert die Parteiführung eine schärfere Zensur im eigenen Land und stärkere Einflussnahme auf die internationale Berichterstattung über China. Die Papiere, Direktiven und Kommuniqués sind über mehrere Monate verfasst worden.
Offenbar fühlt sich das kommunistische Regime in Peking in der Defensive. „Feindliche Kräfte in- und außerhalb Chinas versuchen, uns zu Veränderungen zu drängen“, heißt es in einem als geheim eingestuften Kommuniqué, das auf den 5. März dieses Jahres datiert ist. „Sie versuchen mit allen Mitteln, unsere Entwicklung zu behindern, unserem Image zu schaden und unsere Ideologie und Kultur zu infiltrieren.“ Chinas Feinde würden „immer stärker, immer professioneller, immer brutaler, immer besser organisiert und technisch immer versierter“, warnt die Führung. Schlussfolgerung: „Die Ausbreitung von gefährlichen Informationen oder illegalen politischen Veröffentlichungen zu verhindern, ist unsere wichtigste Aufgabe.
In einem Papier aus dem Propagandaministeriums lautet die klare Anweisung: „Alle illegalen und gefährlichen Informationen von chinesischen und ausländischen Webseiten müssen vollständig blockiert und gelöscht werden.“ In einer landesweiten Kampagne sollen bis Ende des Jahres alle Verlage, Redaktionen, Druckereien und Internetbetreiber überprüft und ihre Mitarbeiter für heikle Inhalte sensibilisiert werden. Als „besonders gefährlich “ werden Informationen über Ämterbesetzungen und „Gerüchte über interne Kämpfe in der Partei“ eingestuft, ebenso „Ideen zu Reformen des politischen Systems“. Verboten sei es außerdem, die „chinesische Revolutionsgeschichte falsch darzustellen, separatistisches Gedankengut zu verbreiten, Spannungen zwischen ethnischen Gruppen zu schüren, religiösen Extremismus zu betreiben, gesellschaftliche Konflikte anzustacheln oder zu Massenereignissen anzustiften“. Für überführte Verbrecher gelte in allen Fällen die Devise: „Schnell anklagen, schnell verurteilen und schnell ausschalten, um mögliche Nachahmer abzuschrecken und die Zustimmung des Volkes zu gewinnen.“
Besonders im Fokus der Partei sind Chinas Studenten. Von ihnen geht nach Ansicht der Führung die größte Gefahr für Angriffe auf ihre Autorität aus. Deshalb soll die Überwachung von Vorlesungen, Diskussionsveranstaltungen und Internetforen verstärkt und die „ideologische und politische Ausbildung“ intensiviert werden. „Die Ausbildung in ideologischem und politischem Gedankengut hat höchste Priorität und soll die ganze Universitätsstudium begleiten“, heißt es in einem Papier von Dezember.
Aber auch das Bild Chinas in der Welt müsse verbessert werden, verlangen die Parteiführer. Die ausländische Meinung müsse „effektiv beeinflusst und geleitet“ werden, um ein „objektives und freundliches Meinungsbild“ über China zu verbreiten, heißt es in einer Ende Januar verschickten Direktive mit dem Titel „Schwerpunkte der Propagandaarbeit 2011“. Chinas Image müsse für „friedliche Entwicklung, Fortschritte in Sachen Demokratie und eine offene Gesellschaft stehen.“ Vor allem bei kritischen Themen wie den Menschenrechten könne China seine Meinung offensiver darstellen. Der Spielraum der tibetischen und uigurischen Unabhängigkeitsbewegungen, international aufzutreten, müsse verringert werden.
In den Papieren finden sich konkrete Anweisungen der chinesischen Führung, wie die Auslandspropaganda zu organisieren ist: Teil des „Projekts zur internationalen Verbreitung von Informationen der Kommunistischen Partei“ sind demnach auch die Finanzierung von chinesischen Auslandsmedien, Konfuzius-Instituten und Kulturveranstaltungen. Diesbezüglich kann der Berliner Gipfel aus chinesischer Sicht als Erfolg gelten: Deutschland und China unterzeichneten gestern eine Absichtserklärung zur Förderung der Zusammenarbeit im kulturellen Bereich.
Die Papiere belegen nach Expertenmeinung eine bedenklich Entwicklung in China. „Dies zeigt, dass China keineswegs auf dem Weg ist, eine freiere Gesellschaft zu werden, wie manche westliche Regierungen gerne glauben wollen“, sagt Jean-Philippe Béja, Chinaexperte am Zentrum für Internationale Studie in Paris. „Eher ist das Gegenteil der Fall.“ David Bandurski, Experte für chinesische Medien an der Hong Kong University, sieht in den Interna einen weiteren Beweis dafür, dass in Peking derzeit nicht mehr die Reformer, sondern die Hardliner das Sagen haben: „Die Kluft zwischen der Realität und dem Image, das die Partei gerne vermitteln will, wird immer größer.“