Am Kryptomarkt ist es derzeit ruhig geworden. Doch der Kollaps der Kryptobörse FTX sendet weiter Schockwellen durch den Markt. Für Miner sind fallende Kryptokurse und steigende Energiekosten eine verheerende Kombination.
Börsen-Zeitung: "Krypto im Auge des Orkans" Kommentar zu den Aussichten digitaler Assets von Alex Wehnert
Der Kryptomarkt ist nach einem stürmischen Advent in einen friedlichen weihnachtlichen Schlummer übergegangen. Die Investoren in dem eigentlich durch hohe Volatilität geprägten Segment halten sich derzeit zurück, in der Woche vor Heiligabend hat sich der Kurs der führenden Digitalwährung Bitcoin in einer geringen Spanne zwischen 16.400 und knapp 17.000 Dollar gehalten. Doch vieles spricht dafür, dass sich Digital Assets momentan lediglich im Auge des Orkans befinden.
So sendet der Kollaps der Kryptobörse FTX weiter Schockwellen durch den Markt. Der Broker Genesis ist in Bedrängnis, der Lender BlockFi, der Anlegern Renditen auf den Verleih von Cyberdevisen verspricht, musste Insolvenz anmelden - und in der alten Woche flüchtete mit dem Mining-Giganten Core Scientific eine der größten börsennotierten Kryptofirmen in den Gläubigerschutz.
Miner unter Druck
Für das Unternehmen bilden die fallenden Kryptokurse und die steigenden Energiekosten eine verheerende Kombination. Denn das Bitcoin-Mining ist auf den enorm stromintensiven Proof-of-Work-Konsensmechanismus festgelegt. Auch zahlreiche weitere Schürfer geraten laut den Analysten von Bloomberg Intelligence im aktuellen Umfeld unter Druck und veräußern sowohl ihr Equipment als auch ihre Bitcoin-Reserven in rekordhohem Tempo.
Tatsächlich ist zuletzt auch die Mining-Schwierigkeit, ein Maß für die zum Schürfen neuer Bitcoin aufgewandte Rechenleistung, so stark gefallen wie seit fast anderthalb Jahren nicht, was ebenfalls auf Liquiditätsprobleme der Miner hinweist. Analysten glauben indes, dass die Miner inzwischen so großvolumig Bitcoin-Bestände aufgelöst haben, dass ein Ende der Abverkaufswelle bevorsteht. In der Vergangenheit seien einer solchen Entwicklung wiederholt Kursaufschwünge gefolgt.
Auch Daten vom Terminmarkt ziehen Beobachter als Indizien für eine Wende heran. Denn gemäß den "Commitments of Traders"-Berichten des US-Derivateregulators CFTC sind die Nettopositionen von Hedgefonds bei Bitcoin-Futures an der Chicago Mercantile Exchange aus dem tief negativen Bereich geklettert und nähern sich neutralem Niveau. Das Übergewicht der Short- gegenüber den Long-Positionen hat sich also verringert - ein Trend, der sich während der Turbulenzen nach dem FTX-Crash fortgesetzt hat. Die Nettopositionen der Assetmanager sind indes weniger stark gefallen, als die der Hedgefonds gestiegen sind, im Dezember ergibt sich für die Vermögensverwalter bis Monatsmitte sogar ein leichter Zuwachs um 140 Mill. Dollar.
Die Entwicklung der Nettopositionen lässt sich einerseits als Zeichen dafür deuten, dass nach den Bitcoin-Kursrückschlägen seit Ende März nun ein Boden erreicht ist. Andererseits müssen Anleger aber beachten, dass die Anstiege bei den Hedgefonds weniger darauf zurückzuführen sind, dass Manager großvolumig Long-Positionen eingegangen wären - sondern eher darauf, dass das Open Interest bei Bitcoin seit dem Frühjahr erheblich zurückgegangen ist.
Dies sollte Krypto-Enthusiasten zu denken geben, stellt das Open Interest doch einen wichtigen Indikator für die institutionelle Adoption dar. Der Rückgang der offenen Futures-Positionen weist also darauf hin, dass das Narrativ, etablierte Finanzinstitute träfen Entscheidungen mit langfristigem Fokus und ließen sich daher nicht von kurzfristigen Marktturbulenzen abschrecken, nicht aufgeht.
Die jüngsten Entwicklungen im Fall FTX dürften dabei nicht dazu beitragen, das Vertrauen in digitale Anlagen zu stärken. Sam Bankman-Fried, Gründer der Handelsplattform, ist nach seiner Verhaftung auf den Bahamas und seiner Auslieferung an die USA gegen eine Kaution von 250 Mill. Dollar auf freiem Fuß. Caroline Ellison, CEO von Bankman-Frieds Trading-Firma Alameda, sowie Gary Wang, ehemaliger Chief Technology Officer von FTX, haben sich inzwischen strafrechtlicher Vergehen schuldig bekannt. Zugleich warten die Investoren darauf, welche weiteren Betroffenen des Crashs offenbar werden - der Orkan dürfte in Kürze mit unverminderter Stärke weitertoben.