Kommentar zur Hauptversammlung der Commerzbank von Bernd Wittkowski
Börsen-Zeitung: Krieg und Klima
Schuld ist immer die Presse. Wer es noch nicht wusste, erfuhr es am Mittwoch auf der Hauptversammlung der Commerzbank. Da geriet Verdi-Gewerkschaftssekretär Stefan Wittmann als Mitglied des Aufsichtsrats von Aktionärsseite unter Beschuss, weil er - so Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz - öffentlich über "toxische Risiken" der Gelben als Übernahmehindernis "schwadroniert" habe. Es kam, was kommen musste: Dieses und andere Zitate seien unzutreffend, ließ Wittmann seinen Aufsichtsratsvorsitzenden Stefan Schmittmann ausrichten. Also wieder mal, auf Neudeutsch, Fake News.
Sich der Medien als Prügelknaben zu bedienen, ist ausgesprochen feige. Doch ein wenig Verständnis muss man für Betriebsräte und Gewerkschafter im Aufsichtsrat grundsätzlich schon haben. Als Vertreter der Interessen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Gesellschaft wandern sie auf einem schmalen und konfliktträchtigen Grat. Etwas mehr öffentliche Zurückhaltung und vor allem Vorsicht bei potenziell geschäftsschädigenden Äußerungen täten aber sicher gut.
Das war dann auch fast schon der spannendste Diskussionspunkt in einem Aktionärstreffen, das streckenweise die Brisanz eines Kaffeekränzchens hatte und als vorgezogenes Kontrastprogramm zur heutigen Hauptversammlung der Deutschen Bank gelten darf. Gewiss sind der Krieg im Jemen und der Klimaschutz, die Finanzierung von Rüstungs- oder Kohleprojekten schwerwiegende Themen. Sie dominierten in der Aussprache klar im Vergleich etwa zum - so ein Aktionär - "unterirdisch tiefen Aktienkurs" der Bank oder - ein anderer Miteigentümer - den "übertriebenen Staatseingriffen in das Geschäft der Banken". Es war ein bisschen wie in Hauptversammlungen der neunziger Jahre, nur ging es damals um die Atomkraft. Heute sind es Kohlegewinnung und -verstromung.
Doch weder der Commerzbank als Institution noch den Mitgliedern des von Martin Zielke geführten Vorstands noch Schmittmann, der seine erste Hauptversammlung als Vorsitzender überhaupt souverän leitete, in personae kann man Problembewusstsein absprechen. Das Haus verfügt, zum Teil seit vielen Jahren, über ein ausgefeiltes Regelwerk zum Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken. Und wer die Verantwortlichen kennt, weiß, dass deren Betroffenheit in Sachen Krieg und Klima nicht gespielt ist. Es gibt auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Bank ihre Geschäftspraxis weiterhin dem jeweiligen Stand der gesellschaftlichen und politischen Diskussion anpassen wird.