Bei der Aufklärung der Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard geraten weitere Verdächtige in den Fokus der Ermittler. Nach Handelsblatt-Informationen ermittelt die Staatsanwaltschaft München seit Neuestem auch wegen mutmaßlicher Untreue gegen die beiden verbliebenen Vorstände Alexander von Knoop und Susanne Steidl.
Bereits seit Juli verdächtigen die Ermittler den langjährigen Wirecard-Vorstand um Ex-Konzernchef Markus Braun, Asienchef Jan Marsalek, Finanzchef von Knoop und Produktvorständin Steidl der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und des Betrugs. Braun sitzt in Untersuchungshaft. Marsalek ist international zur Fahndung ausgeschrieben. Von Knoop und Steidl sind jedoch weiter im Amt.
2020 habe der Vorstand einen dreistelligen Millionenbetrag für dubiose Partnerfirmen in Asien freigegeben – in Form von Krediten mit „lächerlichen Konditionen“, berichten Insider dem Handelsblatt. Niemand im Vorstand habe eine Gegenstimme erhoben. Auch eine vom neuen Vorstandschef James Freis mit der forensischen Datensicherung beauftragte Beratungsgesellschaft fand heraus, dass von Knoop unter anderem noch im Februar 2020 einen Kredit über zehn Millionen Euro an dubiose asiatische Partner freizeichnete. Die Staatsanwaltschaft prüft wegen mehrerer Überweisungen wie dieser den Verdacht der Untreue.
Der Aufsichtsrat hat laut Insidern bereits vor mehreren Wochen darüber debattiert, ob die beiden Vorstände abberufen werden sollten. Geschehen ist das jedoch nicht. Beobachter äußern Unverständnis darüber. „Der Aufsichtsrat kann Vorstände bei Vorliegen wichtiger Gründe abberufen“, erklärt Governance-Experte Christian Strenger. „Da der Wirecard-Finanzvorstand von Knoop zumindest für die in 2020 erfolgten hohen Zahlungen aus den Kreditlinien an asiatische Adressen verantwortlich war, liegt hier wohl eindeutig eine Notwendigkeit zur Abberufung vor.“
Die Staatsanwaltschaft äußert sich nicht zum Stand der Ermittlungen. Auch von Knoops Verteidiger wollte sich nicht äußern. Steidls Anwältin reagierte auf Handelsblatt-Anfrage nicht.