Manchmal kehrt mein Vertrauen in die Effizienz der Börsen doch wieder mal zurück: der völlig überteuerte Börsengang des Latschenverkäufers Birkenstock (Börsenkürzel: BIRK) in New York wurde am Mittwoch zumindest beim Start zum Flop.
(TG) Die emsigen Verkäufer hatten beim IPO in New York erst eine Preisspanne von 44 bis 49 Dollar angepeilt, es wurden dann schon mal nur 46 Dollar, zu der man das Papier erstehen konnte.
Aber der erste Handel ging zur Wochenmitte gleich mit 40 bis 42 Dollar los, und endete mit 40,20 Dollar am unteren Ende dieser Range. Offenbar hatten die Emissionsbanken die 40-er-Marke verteidigt, denn der Tiefstkurs lag bei 40,04 Dollar. 15,7 Millionen Aktien wurden am Ersttag gehandelt, immerhin ein Wert von gut 640 Millionen Dollar, der halbe Umsatz der Schuhverkäufe 2022. Am zweiten Tag wurde erst noch ein wenig über 40 getändelt, danach sackte der Kurs zügig darunter, auch schon unter 39 Doller – immerhin bereits 16 Prozent Minus zum Ausgabepreis. By the way: Wer läuft denn bloß in solchen Dingern rum?
Der Grund für die Enttäuschung der Zeichner ist nachvollziehbar: Anfang 2021 hatte die Private Equity-Firma L. Catterton die Beteiligung an Birkenstock mit einem Firmenwert von 4,3 Milliarden Dollar gekauft. An der oberen Bandbreite hatte jetzt zwei Jahre später die Bewertung 9,2 Milliarden entsprochen, zum Emissionspreis dann 8,6 Milliarden und jetzt am Mittwoch-Schluss immer noch 7,5 Milliarden Dollar. Was die Sandalenproduktion innerhalb von zwei Jahren so viel wertvoller gemacht haben soll, bleibt das Geheimnis der cleveren Beteiligungskäufer und der etwas dümmlichen Zeichner.
„BIRK“ wird höher taxiert als alle sonstigen in Wall Street notierten Schuhhersteller. Einige Investoren hatten denn auch ihre Zweifel. Um die von Birkenstock zunächst angestrebte Bewertung von rund 8,6 Milliarden Dollar zu rechtfertigen, müsste das Unternehmen einen Jahresumsatz von mehr als 3,8 Milliarden Dollar erwirtschaften – oder etwa das Dreifache seines Umsatzes im Geschäftsjahr 2022, unkte David Trainer, Chef der Analysefirma „New Constructs“, vor dem Börsengang und schob augenzwinkernd nach: „Wir gehen nicht davon aus, dass dies in absehbarer Zeit passieren wird, wenn überhaupt jemals.“
Man musste bei der Promotion auf Argumente zurückgreifen, die sonst an der Börse eine eher überschaubare Bedeutung haben, wie etwa, dass die Wurzeln der Schuhmacherfamilie Birkenstock etwa ein Vierteljahrtausend bis 1774 zurückreichen. Selbst im der Börsenaufsicht zugeleiteten Emissionsprospekt findet sich an prominenter Stelle Gelaber wie: „Unser Ziel ist es, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, so zu gehen, wie es die Natur vorsieht.“ Oder: „Unsere Produktionskapazitäten spiegeln jahrhundertealte Handwerkstraditionen und die Verpflichtung wider, nur Materialien höchster Qualität zu verwenden.“ Selbst in seine Sandalen versuchte das Unternehmen einen Hauch von High-Tech zu pusten.
Man muss sich doch einfach mal folgende Frage stellen: wenn die Familie nach einem Vierteljahrtausend Schuhmacherei den größten Teil ihrer Anteile verkauft, kann der Preis ja so übel nicht gewesen sein. Wenn der Laden dann zwei Jahre später noch einmal das Doppelte wert sein soll, ist das der ideale Zeitpunkt, als neuer Anleger auf weiteren Erfolg der Sandalen zu vertrauen und dafür den siebenfachen Umsatz des letzten Jahres und 50-fachen Jahresgewinn zu bezahlen? Da muss man schon Fußfetischist sein.