Bevor die CDU am Wochenende zur Aufarbeitung der Flüchtlingskrise zusammenkommen will, zeigen neue Recherchen, wie sehr die Bundesregierung damals die Kontrolle verloren hatte.
Aus einer E-Mail des Kanzleramts, über die die "Welt" (Samstagsausgabe) berichtet, geht hervor, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Oktober 2015 die Wirksamkeit der nur wenige Wochen zuvor eingeführten Grenzkontrollen infrage stellte.
Stunden bevor in der Unionsfraktion am 13. Oktober 2015 ein Streit über Merkels Flüchtlingspolitik ausbrach, schrieb der stellvertretende Leiter des Koordinierungsstabs Flüchtlingspolitik im Kanzleramt eine E-Mail ans Bundesinnenministerium: "Die BK`n [Bundeskanzlerin] hat zum Vorwurf, die BReg [Bundesregierung] habe die Kontrolle über die Flüchtlingslage vollends verloren, die Frage gestellt, ob durch die Grenzkontrollen sich nicht wenigstens unsere Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Flüchtlinge (Geschlecht, Alter, Minderjährige, Herkunft usw.) verbessert habe."
Innerhalb der nächsten 90 Minuten benötige man daher einen Überblick "dazu, bzw. zu den sonstigen Vorteilen der Grenzkontrollen oder anderen Gründen, weshalb wir den Überblick haben", schrieb das Kanzleramt damals.
Die Antwort des Innenministeriums zeigt, dass Vorteile der Grenzkontrollen damals alles andere als klar benannt werden konnten. Stattdessen behalfen sich die Beamten mit Allgemeinplätzen: Die Kontrollen seien wichtig zur "Ermöglichung eines geordneten Verfahrens" im Rahmen des "rechtlich und tatsächlich Möglichen", heißt es in der Antwort, über die die "Welt" unter Berufung auf die Entwurfsfassung und auf die tatsächliche, deutlich abgeschwächte Fassung, die das Innenministerium schließlich ans Kanzleramt schickte, berichtet.
Insgesamt listet das Innenministerium mit Spiegelstrichen acht Vorteile der Grenzkontrollen auf. Im Entwurf stehe hinter einem Spiegelstrich die "Registrierung", in der finalen Version sei es um "sofern möglich" ergänzt worden. Aus dem Punkt "verbessertes Lagebild" sei "verbessertes Lagebewusstsein" geworden, berichtet die Zeitung weiter.
Foto: Angela Merkel, über dts Nachrichtenagentur