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Russischer Journalist: Was die Medien über Nawalny verschweigen

Viel Rummel in deutschen Medien um den russischen Journalisten Alexej Nawalny. Während insbesondere die deutsche Presse Nawalny als liberalen und prominenten Kreml-Kritiker beschreibt, gilt er in seiner Heimat hingegen als knallharter Nationalist.

 

von Pierre Kranz

Sie machen sich wieder mächtig Sorgen, Sorgen um ihren Helden Alexej Nawalny. Glaubt man westlichen Medien, so handelt es sich bei Nawalny um einen Lichtblick, ja gar einen Freiheitskämpfer im sonst so düsteren und autokratischen Russland unter Präsident Vladimir Putin.

Am 12. Juni fand in Moskau ein Solidaritätsmarsch für den mittlerweile wieder freigelassenen Journalisten Iwan Golunow statt. Selbstverständlich an vorderster Front mit dabei, Alexej Nawalny.

Es kam wie es kommen musste, schon wieder, schon wieder ist ihr Held verhaftet worden.

Nawalny wurde bei dieser nicht genehmigten Demonstration in Moskau erneut von der Polizei festgenommen. Im drohen bis zu 30 Tage Haft, teilte seine Sprecherin auf Twitter mit.

Noch während ich am Artikel schrieb, wurde Nawalny schon wieder freigelassen, doch meine eigentliche Motivation ist davon unabhängig.

Fehlende Puzzleteile zum Medienheld Nawalny

Leidenschaftlich greifen unsere Medien diesen Strohalm auf, um endlich wieder mit dem Finger auf den bösen, dunklen „Unterdrückungsstaat“ Russland zeigen zu dürfen. Der Fall mit dem russischen Spion in Form eines Wals, welcher in sagenhafter James-Bond-Manier an der norwegischen Küste herumschlängelte, ist ja schon einige Wochen her. Endlich wieder neue Munition!

Es gibt wieder die gewünschten Bilder, Bilder die dem Zuschauer anschaulich vermitteln sollen, wie brutal und unverhältnismäßig der russische Staat vorgeht. Was nicht erzählt wird ist die Tatsache, dass von den Veranstaltern nicht einmal der Versuch unternommen wurde, diese Demonstration anzumelden. Folglich war das Vorgehen der Polizei nicht anders als in Deutschland. Die Demonstranten wurden von der Polizei eingesammelt, bezahlten ihr Bußgeld und durften nach Feststellung der Personalien wieder nach Hause gehen.

Während in Deutschland das Abhalten einer nicht angemeldeten Demonstration als Straftat gewertet werden kann, so wird dieses Vergehen in Russland, man höre und staune, lediglich als eine Ordnungswidrigkeit behandelt. Die Strafe hierfür beläuft sich umgerechnet auf ca. 200 Euro und kann im Wiederholungsfall mit einer Ordnungshaft von bis zu 30 Tagen geahndet werden.

Alexej Nawalny ist ein genau solcher Fall von Wiederholungstäter. Jetzt könnte man meinen, Nawalny wird das Demonstrationsrecht grundsätzlich verwehrt, da er ja regelmäßig im Gefängnis landet. Doch beim genaueren Hinsehen stellt man fest, dass sich Nawalny bevorzugt Fest- und Feiertage für seine Demonstrationen aussucht, in der Nähe des Kremls versteht sich. Dieser Wunsch wird ihm allerdings verwehrt, da der Kreml und der Rote Platz eine Hauptverkehrsader ist und gerade an Festtagen ist dieser Bereich voller Menschen. Das Angebot seine Demonstrationen an einem nahegelegenen Park abzuhalten, wo wesentlich mehr Platz und Raum ist, lehnt er stets ab.

Nein, er möchte mitten im Tumult, mitten im Verkehr, mitten im Volksfest demonstrieren, was natürlich ein absolutes Chaos verursachen würde.

Unbeirrt und der Konsequenzen völlig bewusst ignoriert Nawalny dieses Angebot und demonstriert trotzdem am ihm untersagten Platz. Natürlich führt das Vergehen zur Verhaftung und gibt die gewünschten Bilder. Nawalny wird medienwirksam verhaftet, die Zwiebeltürme des Kremls schön im Hintergrund zu sehen, und abgeführt. Kamerawirksame Verhaftung, kamerawirksame Verurteilung, kamerawirksam im Gefängnis sitzend und kamerawirksame Entlassung nach 30 Tagen, ein perfekter Zeitraffer für die Tagesschau um 20 Uhr, das Klischee vom demokratiefeindlichen russischen Staat ins Bewusstsein gepflanzt.

Wenn Russland tatsächlich so ein Unrechtsstaat ist, wie uns die Medien weismachen wollen, stellt sich die berechtige Frage: Wie kann es sein, dass Nawalny in diesem „Unterdrückungsstaat“ jedes Quartal in der Lage ist, eine solche Demonstration zu veranstalten? Müsste er dann nicht längst lebenslänglich hinter Gittern oder gar in einem Arbeitslager sitzen?

Was uns die Medien über Nawalny verschweigen

Im Jahr 2011 gründete Nawalny die Nicht-Regierungs-Organisation - Fonds zur Korruptionsbekämpfung – und will mit dieser eine angebliche Korruption der Regierung in Moskau über staatseigene Unternehmen aufdecken. Diese wird aus Spenden, unter anderem aus der US-amerikanischen Stiftung National Endowment for Democracy, einer Denkfabrik zur Förderung der Demokratie, finanziert. Diese Stiftung wiederum erhält ihr Geld aus dem US-Bundeshaushalt.

Die NED ist nicht ganz unumstritten. Ihr wird vorgeworfen sich mit Geldern, Medien-Know-How und Hilfe bei der Öffentlichkeitsarbeit für bestimmte politische Gruppen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.

So kommentierte der ehemalige Politiker der Republikanischen Partei Ron Paul im Jahr 2003:

„Was die NED in fremden Staaten unternimmt, wäre in den USA illegal. Es ist orwellianisch zu behaupten, US-Manipulationen von Wahlen in fremden Staaten würde die Demokratie befördern. Wie würden die Amerikaner reagieren, wenn die Chinesen mit Millionen von Dollar bestimmte pro-chinesische Politiker unterstützen würden?“

Wie war das noch gleich mit der russischen Wahleinmischung zur amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016?

Während insbesondere die deutsche Presse Nawalny als liberalen und prominenten Kreml-Kritiker beschreibt, gilt er in seiner Heimat hingegen als knallharter Nationalist.

Regelmäßig ruft er zur Teilnahme am Russischen Marsch auf, bei der er auch als Redner auftritt. Der Russische Marsch ist eine seit 2005 jährlich stattfindende Demonstration von Rechtsextremen, die immer am 4. November zu Ehren der nationalen Einheit in Moskau stattfindet. Das ist in etwa vergleichbar mit rechtsextremen Demos hierzulande bei denen lautstark „Sieg Heil“ skandiert wird, nur eben auf russisch.

Einerseits erfinden hiesige Medien „Hetzjagden“ in Chemnitz, überschlagen sich mit Superlativen, bringen eine ganze Stadt, ja gar ein ganzes Bundesland in Misskredit, rücken alle Menschen, die gegen diese unkontrollierte Einwanderung aus aller Herren Länder und für konsequentere Abschiebungen demonstrieren, ins rechtsextreme Lager. Andererseits hofieren sie einen knallharten Nationalisten, der offenkundig zu rechtsextremen Demos aufruft, mit dem Etikett eines liberalen Oppositionellen, der nur ein Opfer im so autoritären Russland sei. Das ist schlicht und einfach Propaganda!

Kontrast zu Julian Assange

Im Fall Julian Assange vernehmen wir in unseren Medien hingegen ein ohrenbetäubendes Schweigen. Während sie stolz die Pressefreiheit für sich schulterklopfend proklamieren, wurde genau diese Freiheit am 11. April gewaltsam aus der ecuadorianischen Botschaft in London herausgeschleppt. Anstatt sich lautstark für einen Journalisten-Kollegen stark zu machen, sich mit Assange zu solidarisieren, medialen Druck auf die Behörden auszuüben, passiert das genaue Gegenteil. Es wird aus allen Rohren diffamiert, mit völlig absurden und haltlosen Unterstellungen. Wie spät ging Assange ins Bett? Wann stand er auf? Hat er die Klospülung nicht betätigt? Und überhaupt, hat diesem Mann denn niemand Manieren beigebracht?

Es ist de facto die endgültige Bankrotterklärung unserer Medienlandschaft. 

Einer der größten Whistleblower unserer Zeit, der brutalste Kriegsverbrechen ans Tageslicht brachte, ein Mann, der für seine Arbeit den Friedensnobelpreis verdient, sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis wegen des Verstoßes von Bewährungsauflagen und unsere Medien schauen weg. Das ist eine Welt, wie sie George Orwell eindrucksvoll beschrieb!

Abschließend passt auch hier das Sprichwort: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen!

 

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