Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich offenbar immer seltener den Fragen von Rundfunk und Presse in einzelnen Interviews.
Dies geht aus einer statistischen Übersicht des Bundespresseamts (BPA) hervor, über die der "Tagesspiegel" (Freitagsausgabe) berichtet. Demnach ist die Bundeskanzlerin im vergangenen Jahr nur noch mit 22 Interview-Beiträgen in deutschen Medien vertreten gewesen.
In den Jahren zuvor seien es im Durchschnitt noch mehr als 60 einzelne Beiträge gewesen. Nur in 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise, sei die Zahl ebenfalls deutlich gesunken, damals auf 33 Auftritte, heißt es in der Übersicht weiter.
Das Bundespresseamt hob hervor, dass es sich dabei um eine Auswertung aus Datenbanken öffentlich zugänglicher Quellen zwischen den Jahren 2013 bis 2018 handele. Sie erhebe nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sei eine "Auswahlliste".
Dennoch zeige die Liste eine deutliche Tendenz: Für das Jahr 2018 weise sie nur acht Auftritte Merkels in der Presse und 14 im Rundfunk aus, berichtet die Zeitung weiter. Die Übersicht habe das Bundespresseamt erst nach der Klage eines Rechtsanwalts vor dem Berliner Verwaltungsgericht herausgegeben. Der Anwalt hatte einen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geltend gemacht.
Der Rückgang könnte auch mit digitalen Strategien von Kanzleramt und BPA zusammenhängen, berichtet die Zeitung. So nutzt die Bundesregierung Facebook, YouTube, Flickr, Instagram und Twitter nach eigenen Angaben als "zeitgemäße Erweiterung ihrer Öffentlichkeitsarbeit". Zudem hat Merkel einen regelmäßigen Video-Podcast.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert den Rückzug Merkels von der Presse: "Interviews mit Spitzenpolitikern zu führen, ist Aufgabe von Journalisten", sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall dem "Tagesspiegel".
Videobotschaften der Kanzlerin seien "platte PR, aber kein erklärender Journalismus", so der DJV-Chef weiter. Zudem hält er es für "verhaltensoriginell", dass das BPA die Informationen angesichts Transparenzbeteuerungen der Regierung zurückhalten wollte. "Geheimniskrämerei verträgt sich nicht mit Regierungshandeln in einer Demokratie", sagte Überall.
Foto: Angela Merkel, über dts Nachrichtenagentur