Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, hält die im Zuge der Corona-Proteste geäußerten Zweifel an der Wissenschaft teilweise für nachvollziehbar.
"Das größte Problem ist, dass der Staat zu stark unter dem Einfluss bestimmter wirtschaftlicher Interessengruppen steht", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Montagausgaben). "Das ist mit Demokratie und gemeinwohlorientierter Entscheidungsfindung nicht vereinbar."
Wagenknecht fügte hinzu: "Wir brauchen zum Beispiel mehr unabhängige öffentliche Forschung. Dass viele Menschen Wissenschaftlern nicht mehr trauen, hängt ja auch damit zusammen, dass die Forschung zunehmend von Geldern der Industrie finanziert wird.
Angebliche Experten entpuppen sich dann schnell als Lobbyisten." An den Universitäten müssten Professoren immer mehr Drittmittel einwerben, ihr Renommee werde mit dadurch bestimmt. "Aber hinter den Drittmitteln stehen kommerzielle Interessen", so die Linken-Politikerin.
Es sei überdies "ein Problem, dass selbst Mediziner des Robert-Koch-Instituts in Beratergremien von Pharma-Konzernen sitzen oder ihre Projekte von der Pharmabranche bezahlen lassen. Wenn der Staat seine Gelder kürzt, gehen die Privaten rein. Aber das erzeugt Abhängigkeiten." Ohnehin seien die Proteste "ja sehr unterschiedlich", betonte Wagenknecht.
"Da muss man differenzieren und darf nicht pauschal alle Demonstranten in die Nazi-Ecke stellen oder als Verschwörungstheoretiker beschimpfen." Die Bundestagsabgeordnete beklagte ferner, dass die Rettungspakete von Bund und Ländern "sozial sehr unausgewogen" seien. "Viele Solo-Selbständige und Freiberufler bekommen gar nichts, während große Unternehmen teilweise immense Summen erhalten, darunter solche, die das Geld gar nicht brauchen."
Sinnvoll sei hingegen der Plan von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), Familien pro Kind pauschal 300 Euro zu zahlen. "Denn es hilft Familien mit Kindern, die wegen der Schließung von Schulen und Kitas besonders große Lasten tragen."
Zu ihrem persönlichen Umgang mit der Coronakrise sagte die 50-Jährige: "Ich gehöre eher zu den Ängstlicheren, auch, weil mein Mann altersbedingt zur Risikogruppe gehört. Ich versuche, vorsichtig zu sein, ohne mich verrückt zu machen." Wagenknecht ist mit Oskar Lafontaine verheiratet; er ist 76 Jahre alt.
Foto: Sahra Wagenknecht, über dts Nachrichtenagentur