Langsam wird der Ton zwischen Politik und den Untertanen beim Thema Corona rauer. Kretschmann, grüner Ministerpräsident (Baden-Württemberg) droht mit einem schärferen Lockdown, der alle bisherigen in den Schatten stellt.
von Tilman Gerter
Vor den Wirtschaftsrat des Koalitionspartners CDU wird Winfried Kretschmann drei Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg (14. März) deutlich.
Dünnhäutig soll er auf das Flehen namentlich des Einzelhandels gegiftet haben: „Ich möchte mal einen erleben, der sagt, jetzt machen sie mal ein bisschen was schärfer. Das höre ich nie.“ Ja warum auch, möchte man ihm entgegnen: viele Lädchen außerhalb des täglichen Bedarfs sind ja komplett dicht, was sollen die denn noch mehr Schärfe wünschen?
Und zum gereizten Tonfall passt dann auch die große Keule, die er verbal schwingt: bei einer dritten vom Landesvater gefürchteten Coronawelle müsse man noch ganz andere Saiten aufziehen: „Dann machen wir einen richtigen Lockdown – den gab es bisher ja gar nicht.“ (Quelle: https://www.focus.de)
Na, der erste im Frühjahr war aber recht nahe dran, könnte sich der Winfried doch mal erinnern: auch die Industrie dicht. Was wäre denn dann der „richtige“ Lockdown? Türen vernageln oder was?
Dabei erschließt sich nicht so recht, warum ausgerechnet Kretschmann so muffelt, er könnte sich bei seiner Corona-Politik eigentlich auf die Schulter hauen. Mit 41,1 liegt sein baden-württembergischer Inzidenzwert (neue Ansteckungen in der Woche je 100.000 Einwohner) gar in Sichtweite des neu gepriesenen Zielwertes von 35.
Vielleicht verbittert ihn, dass die vergleichsweise turmhohen grünen Umfragewerte seit dem ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr von 36 Prozent zuletzt in einer INSA-Umfrage Mitte Februar 2020 auf 31 Prozent abgesunken sind.
Insgesamt verstehe ich ja durchaus, dass die Politiker im Moment eine harte Zeit haben. Die einen zerren an ihnen, das Leben wieder freier zu machen, die Experten liegen ihnen mit Horrorbildern in den Ohren. Aber das gleiche Einfühlungsvermögen darf man doch wohl auch von den Verantwortlichen verlangen. Die sind doch wohl freiwillig in diese Funktionen aufgestiegen. Da müssen sie jetzt auch Verantwortung tragen.
Hohe Ämter sind nicht nur schöner Dienstwagen und großzügiges Büro. Ununterbrochen kommen sie mit neuen Geboten und Verboten um die Ecke. Was gestern wichtig war gilt heute nicht mehr und morgen umso weniger.
Denken Sie an Verdopplungsdauer der Ansteckungen, R-Wert, 50-er Inzidenz, Schmierinfektionen durch Türklinkenberührung, Maske nein danke, irgendeine gebastelte Maske, medizinische Maske und morgen vielleicht FFP3-Maske.
In Düsseldorf gilt in Teilen der Innenstadt und einigen Straßen immer noch die Aufforderung zum Maskentragen draußen, die auch kontrolliert wird. Auslöser war das bevorstehende Weihnachtsgeschäft, bei dem Menschen eng aneinander vorbeigehen würden.
Mal abgesehen davon, dass Infektionen an der frischen Luft wohl unwahrscheinlich sind (siehe Mail: „Expertenrat: Maske draußen Quatsch“ vom 16.2.) ist das Weihnachtsgeschäft geplatzt und vorüber, viele Geschäfte sind geschlossen und Ansammlungen in Einkaufsstraßen daher nicht vorhanden. Doch die Maskenpflicht dort bleibt. Wer versteht denn so was?
Und was ich von den bestimmenden Politiker verlangen würde - wenn ich denn mal einen treffen würde - ist Transparenz bei ihren Entscheidungen. Beispiel gefällig? Die aktuelle Härte im Seuchenkampf wird mit Mutationen des Virus begründet. Von ihnen soll die englische Mutante die gefährlichste sein und sich auch hierzulande ausbreiten. Nun schauen Sie mal in die folgende Grafik.
Da wäre doch eine Erläuterung hilfreich, warum man sich davor so fürchten muss, wenn im Ursprungsland der Mutation die Fallzahlen seit Wochen drastisch sinken. Vielleicht gibt es ja eine einleuchtende Begründung dafür, aber dann her damit.
Ich kann doch nicht einsichtig Appellen folgen, wenn ich die Begründung gar nicht verstehen und akzeptieren kann.
Vielleicht hat aber auch Kretschmann selbst keine, dann wäre seine wüste Drohung mit einem Lockdown, der alle bisherigen in den Schatten stellt, erklärlich. Doch mit der Drohnummer, da bis ich mal optimistisch, werden die Verantwortlichen nicht durchkommen, je länger der Schwebezustand anhält, dass die täglichen Zahlen zurückgehen und immer neue Szenarien ausgemalt werden.