Der Chef des Deutschen Hausärzteverbands sieht die Entscheidungen der Gesundheitsministerkonferenz zu Booster-Impfungen und zum Impfangebot für Jugendliche ab 12 skeptisch:
„Auf mich wirkt das eher wie Aktionismus der Politik“, sagte Ulrich Weigeldt der WirtschaftsWoche. Er plädiert dafür, die Studien jeweils noch abzuwarten und den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu folgen. „Aber die Politik glaubt offenbar, dass sie es besser weiß als die Ständige Impfkommission“, kritisiert Weigeldt.
Weigeldt warnt davor, schnelle Effekte von dem Impfangebot für die Jugendlichen zu erwarten: „Die Idee, dass wir selbst nach einer Stiko-Empfehlung alle Jugendlichen durchimpfen, ist genauso Science-Fiction wie die Vorstellung über eine Impfquote von 90 Prozent“, sagte Weigeldt. Aber das sei auch nicht notwendig, da gesunde Kinder und Jugendliche bisher kaum schwere Verläufe hätten. „Worunter die meisten Kinder leiden, ist sicherlich weniger Long-Covid als vielmehr Long-Lockdown. Das darf nicht noch einmal passieren.“
Wichtig sei deshalb, dass sich Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer impfen ließen. „Eine Impflicht für solche Berufsgruppen sollte jedenfalls kein Tabu sein, denn diese Berufsgruppen haben eine besondere Verantwortung“, betonte Weigeldt im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Die Politik habe aber eine Impfpflicht ausgeschlossen. „Sie wird diese nun kaum durch die Hintertür wieder einführen können. Zu viel Druck führt auch nur zu Widerstand, deshalb sollte man eher an die Vernunft der Beschäftigten appellieren, das gilt auch für den Pflegebereich“, erklärte Weigeldt.
Doch generell sinke derzeit die Impfnachfrage in den Hausarztpraxen. Umso wichtiger seien deshalb auch niedrigschwellige Angebote und kreative Anreize wie eine kostenlose Bratwurst nach der Impfung. „Solche Ideen nehmen auch die Härte aus der Diskussion. Diese Gnadenlosigkeit, die da gerade auch in der Debatte um die Notwendigkeit einer Impfpflicht mitschwingt, finde ich schade. Damit kommt man doch erst recht nicht an die Leute ran. Die schalten ab und da hat man keine Chance mehr“, sagte Weigeldt. „Solche pfiffigen Ideen wie eine Bratwurst bringen wieder mehr Leichtigkeit in die Impfkampagne, davon können wir noch mehr gebrauchen.“