Der Berliner Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza, Mitglied der Ethik-Kommissionen des Landes Berlin, hält eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus für überfällig. "Da sich offenbar nicht ausreichend Menschen freiwillig haben impfen lassen, halte ich diesen Schritt für unumgänglich", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben). Für kontaktintensive und besonders gefährdete Berufe im Bereich der Pflege, des ärztlichen und medizinischen Personals, der Rettungskräfte, Polizei und Lehrkräfte habe er sich die Impfpflicht "schon viel früher gewünscht".
Der Verfassungsrechtsexperte sieht alle grundrechtlichen Voraussetzungen für eine Impfpflicht als erfüllt an: "Die Maßnahme verfolgt ein legitimes Ziel, ist geeignet, erforderlich und zumutbar." Er plädiert für eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung im Infektionsschutzgesetz, um einzelne Länder nicht in "Entscheidungsnot" zu bringen. "Wer impfpflichtig ist, muss ebenfalls auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes klar sein", so Pestalozza. "Da ist der neue Bundestag gefordert, eine parlamentarische Regelung zu treffen."
Der Umstand, dass auch eine doppelte oder dreifache Corona-Impfung nicht hundertprozentig vor der Infektion schützt, sei kein Grund für rechtliche Bedenken, sagte Pestalozza dem RND. Er habe keinen Zweifel daran, dass das bei möglichen Klagen auch Gerichte wie das Bundesverfassungsgericht so sehen. "Wir können nicht darauf warten, bis die Krankenhäuser überfüllt sind und die Zahl der Toten weiter zunimmt. Manche Politiker tun so, als ob Corona besiegt wäre", kritisierte er.