Wie geht es weiter in Deutschland? Immer lauter mischt auch die gescheiterte Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock beim Machtgerangel mit. Künftige Gesetze der „Ampel“ müssten auf „Klimaverträglichkeit“ überprüft werden.
von Wolfgang Hübner
Erstmals dringen Berichte an die Öffentlichkeit über ernstere Schwierigkeiten in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP zwecks Bildung der neuen Bundesregierung. Dabei geht es wohl nicht nur um die Frage, ob Christian Lindner oder Robert Habeck Finanzminister und damit der wichtigste Mann nach dem Kanzler wird. Immer lauter mischt auch die gescheiterte Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock beim Machtgerangel mit. Ihre Forderung, alle künftigen Gesetze der „Ampel“ müssten auf „Klimaverträglichkeit“ überprüft werden, läuft auf eine Kontrollfunktion ihrer Partei für alle wesentlichen Regierungsaktivitäten hinaus.
Das ginge nicht nur zu Lasten von SPD und FDP, sondern würde auch den künftigen Kanzler in seiner grundgesetzlich verankerten Richtlinienkompetenz empfindlich schwächen. Ob Olaf Scholz als „Ampel“-Kanzler nach seiner Wahl bereit ist, das hinzunehmen, ist unklar. Erst einmal muss er allerdings gewählt werden, das wissen die Grünen und Baerbock nur zu gut. Deshalb wollen sie im Vorfeld der Kanzlerwahl den Spielraum der Partner und des künftigen Kanzlers so eng wie nur möglich gestalten. Baerbock profiliert sich dabei als die Stimme derer, die den Klimaradikalismus besonders weit treiben. Diese Richtung in den Grünen hat erheblich an Einfluss durch die „Fridays for Future“-Bewegung gewonnen.
Doch mit Klimaradikalismus sind die immer deutlicher werdenden Probleme der deutschen Energie- und Wirtschaftspolitik nicht zu lösen, sondern nur zu vergrößern. Sollte es Frankreich und anderen EU-Staaten gelingen, die Atomenergie als „Grüne Energie“ zu etikettieren, dann wird das deutsche Dilemma noch größer. Scholz kann sich zehnmal am Tag selbst als „Klimakanzler“ bezeichnen – realpolitisch muss er dafür sorgen, dass die Energiekosten bezahlbar bleiben, die Industrie nicht die Flucht ins Ausland ergreift und die Zerstörung deutscher Landschaften durch Windräder und Solarparks nicht unerträglich wird.
All das wird aber Baerbock, das Ziehkind des Davoser Weltwirtschaftsforums, nicht davon abhalten, die Bundesregierung unter Dauerdruck zu setzen. Die Grüne kann dazu jederzeit ihre Neubauer- und Reemtsmabrigaden auf die Straße und in die Talkshows bringen. Die SPD ist in einer zu schwachen Position, um dagegen wirksam anzugehen, zumal sie offiziell ja auch das Ziel der sogenannten „Klimaneutralität“ vertritt. Mit der künftigen Koalition wird es in einem entscheidenden Thema der deutschen Politik keine Harmonie zwischen den Partnern geben – und in anderen Themen auch nicht. Es kommen muntere Zeiten auf uns zu.