In Rotterdam schießen Polizisten auf Demonstranten: 7 Verletzte. Deutsche Medien fragen nicht nach Verhältnismäßigkeit sondern rechtfertigen die Schüsse gar. Ein Video zeigt, wie ein Demo-Teilnehmer aus sicherer Entfernung geradezu abgeknallt wird.
Deutsche Medien - Polizei schießt auf Demonstranten. Kritik? Frage nach Verhältnismäßigkeit? Fehlanzeige! Stattdessen das übliche Framing:
via sciencefiles
Zunächst einmal muß die Frage gestellt werden: Seit wann schießt die Polizei scharf auf Demonstranten, selbst wenn diese gewalttätig sind? Ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt? Eine Frage, Kritik, die man in der deutschen Qualitätspresse vergeblich sucht. Stattdessen wird das scharfe Abknallen von Demonstranten in Rotterdam sogar implizit gerechtfertigt, weil die ja gewalttätig waren. Deutsche Medien sprechen von "Einer Orgie der Gewalt", soll suggerieren: Dagegen hilft halt nur scharfes Feuer!
Wichtiger als Ereignisse ist heutzutage deren Bewertung. Das, was geschehen ist, wird regelmäßig unter einer bestimmten Perspektive berichtet, eine, die dann, wenn es um Gewalt und die Zerstörung von Sachen geht, generell diejenigen zum Feind erklärt, die als “Aggressor” verkauft werden sollen. Insofern war es keine Frage, unter welchem Tenor das, was in der Nacht zum Samstag in Rotterdam stattgefunden hat, berichtet werden würde. Ausschreitungen, Orgie der Gewalt, Gewalttäter die auf die Straße gehen, aus dem Nichts Autos der Polizei anstecken. Die ARD Tagesschau rechtfertigt die gezielten Schüsse - wie alle anderen auch:
"Randalierer werfen Steine und setzen Autos in Brand, die Polizei reagiert mit Schüssen: In Rotterdam ist eine Demo gegen Corona-Regeln eskaliert. Der Bürgermeister ist angesichts der Gewalt alarmiert.
[…]
Bürgermeister Ahmed Aboutaleb bezeichnete die Randale als “Orgie der Gewalt”. Die Polizei sei sogar gezwungen gewesen, ihre Waffen zu ziehen und Schüsse abzufeuern, sagte er auf einer Pressekonferenz."
Was tatsächlich gestern Abend in Rotterdam geschehen ist, welches Ereignis zu welchem Ereignis geführt hat, welche Dynamik die Ereignisse genommen haben, das kann man im Nachhinein kaum mehr rekonstruieren, denn zu viel ist an zu vielen unterschiedlichen Orten geschehen. Die Momentaufnahmen ausgewählter Ereignisse und die Berichte von Teilnehmern, sie geben immer nur einen lokalen Eindruck des Geschehens, nie einen Eindruck vom Ganzen. Auch das machen sich Mainstream-Medien, die eine Erzählung für das Ganze durchsetzen wollen und Behörden, die ein Interesse an einer bestimmten Interpretation der Ereignisse haben, zu nutze.
Zwar ist es in der Regel nicht möglich, ein detailliertes Bild davon zu gewinnen, was wo wozu geführt hat, aber man kann doch bestimmte Behauptungen darüber, was geschehen sei, widerlegen, zeigen, was NICHT passiert ist.
Angeblich haben Polizeibeamte Warnschüsse und gezielte Schüsse auf Bürger abgegeben, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten. Ein Video, in dem eine solche Situation zu sehen ist, zeigt jedoch wie Polizisten - offenbar wahllos - aus sicherer Entfernung auf Demonstranten zielen und diese regelrecht abknallen. Nach offiziellen Angaben wurde 7 Demonstranten durch Schüsse verletzt. Ein Wunder, dass es keine Toten gab!
Die Polizei gab nach eigener Darstellung erst Warnschüsse ab und schoss dann auch gezielt auf Menschen. "Polizisten wurden in die Enge getrieben und von einer größeren Gruppe von Randalierern eingeschlossen", sagte Jan Struijs von der Gewerkschaft dem TV-Sender NOS - und so berichten beschwichtigend deutsche Medien.
Auf folgendem Video sieht das jedoch anders aus. Wir sehen einen jungen Mann, der beide Hände hebt. Ein Polizist im Hintergrund feuert nun auf einen davonlaufenden Demonstranten in ca. 50m Entfernung. Von einer Kugel getroffen bricht dieser zusammen:
#BREAKING - Politie schiet man neer bij #rellen in #Rotterdam. pic.twitter.com/9Gxa3JBX7t
— Gele Hesjes NL (@GeLeHesjesNL) November 19, 2021
Wer von ihnen sieht, wie ein Bürger ohne Grund angeschossen wird, der sieht, was wir auch sehen. Man kann diese Videos ohne große Recherche im Internet finden. Von einem Journalisten würde man erwarten, dass er das tut, um seinen Lesern nicht nur die offizielle Verlautbarung durchzureichen, sondern die Verlautbarung auch zu prüfen. Denn, man muss es einmal wieder sagen: Die Aufgabe, die Journalisten mit Bezug auf staatliche Behörden erfüllen sollen, ist die der Kontrolle, nicht die des Arschkriechens. Von Journalisten wird erwartet, dass sie das, was ihnen von öffentlichen Stellen als Wahrheit präsentiert wird, auf seinen Wahrheitsgehalt hin prüfen. Beiträge, in denen offizielle Versionen einfach so durchgereicht werden, wie der der ARD und in fast allen deutschen Medien sind Propaganda, kein Journalismus.