Wann platzt Rot-Grün-Gelb? Die Koalition in spe steht für einen verkorksten Start. Trunken vor Freude machten sich SPD, Grüne und FDP ans Werk. Ohne klares Konzept aber mit dunkel rot-grünen Utopien, von denen keiner weiß: Wer soll das bezahlen!
Börsen-Zeitung: "Hoher Anspruch", Kommentar zum Koalitionsvertrag von Angela Wefers
Es wird nicht leicht für die Ampel. Mitten in der wieder aufgeflammten Coronakrise tritt die neue Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP mit hohem Anspruch an. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vor Augen, will sie Deutschland in eine der größten industriellen Modernisierungen der Geschichte führen. Versprochen ist dabei im Koalitionsvertrag: Spitzentechnologie "Made in Germany" wird es auch in Zukunft geben. Wohlstand und Beschäftigung der Menschen verspricht die Ampel abzusichern. Letzteres ist keine Wohlfahrtspolitik, sondern lebenswichtig, wenn die neue Koalition reüssieren und wiedergewählt werden will. Der designierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat dies schon vor Augen. Vor allem Wirtschaftswachstum und hohe Beschäftigung sind der Schlüssel für die essenziell wichtige, solide Finanzausstattung der Sozialversicherung.
Die Finanzschleusen will die Ampel nicht rückhaltlos öffnen, so wie es am Anfang der Verhandlungen schien. Der Kreditspielraum der Schuldenbremse wird genutzt, die im Grundgesetz verankerte Regel zieht von 2023 an wieder. Die schweren Belastungen aus der Rückzahlung der Coronahilfen fallen ohnehin erst in der nächsten Legislaturperiode an. Der FDP ist zu verdanken, dass Steuererhöhungen in den oberen Einkommensgruppen nicht Wirtschaftswachstum abwürgen. Dies hätte vor allem mittelständische Personengesellschaften getroffen. Der Preis dafür ist Stillstand bei dringend nötigen Reformen in der Unternehmensbesteuerung.
Wie die neue Koalition ihre Finanzwünsche bezahlen will, lässt sie weitgehend offen. Absehbar ist, dass die Förderbanken von Bund und Ländern stark eingebunden werden. Die Privatisierung von Bundesunternehmen ist keine explizite Option mehr. Die nötige Reform der gesetzlichen Rentenversicherung wird indessen verschoben. Die Garantie von Rentenniveau und Beiträgen sowie die Absage an eine längere Lebensarbeitszeit erhöhen den Druck auf die öffentlichen Finanzen. Dies festzuschreiben ist in einer alternden Gesellschaft politisches Wunschdenken. Einen Schub kann dem Finanzmarkt der Einstieg in die Kapitaldeckung bei der gesetzlichen Rente geben, wie auch die geplante Lockerung der Anlagevorschriften bei betrieblicher und privater Vorsorge.
Die Koalitionäre haben keinen Hehl daraus gemacht, dass sie lang und hart um einzelne Passagen im Koalitionsvertrag gerungen haben. Das Ergebnis kam gleichwohl zügig. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch heterogene Ampel dieses Arbeitstempo beibehält.