Sachsens Ministerpräsident Kretschmer fordert perspektivische Wiederaufnahme der Gas-Lieferungen durch Nord Stream1 und sieht wegen der EU-Sanktionen einen "Tsunami" auf Deutschland zukommen.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich für eine Wiederaufnahme der russischen Gaslieferungen nach dem Krieg ausgesprochen, die Sanktionen gegen Russland in Zweifel gezogen und die EU aufgefordert, auf eine Verhandlungslösung zu drängen. "Wir brauchen langfristige Verträge für Flüssiggaslieferungen aus den USA, Katar und anderen arabischen Ländern. Außerdem müssen wir endlich eigenes Erdgas in der Nordsee erschließen. Und wenn der Krieg vorbei ist, sollten wir auch wieder Gas aus Russland nutzen", sagte Kretschmer der BILD am SONNTAG. Auf die Frage, ob er davon ausgeht, dass die beschädigte Gas-Pipeline Nord Stream1 dann wieder repariert wird, antwortete Kretschmer: "Wir werden Pipeline-Gas brauchen und das geht nur mit funktionierenden Pipelines."
Um den Krieg zu beenden, sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern auf eine Verhandlungslösung drängen. "Es braucht jetzt eine gemeinsame diplomatische Anstrengung von der EU, den USA, China, Indien und Japan. Dieser Krieg muss angehalten werden", so Kretschmer weiter.
Diese Verhandlungen würden nach Kretschmers Vorstellungen nicht automatisch dazu führen, dass die Ukraine auf Teile ihres Staatsgebietes verzichten müssen. "Es gibt keinen einzigen Grund, warum die Ukraine auch nur auf einen Quadratmeter ihres Territoriums verzichten sollte. Kriegsschäden müssen von Russland ausgeglichen, Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden. Mit dieser Haltung muss man in Friedensgespräche gehen", so Kretschmer. "Wir dürfen diese Fragen nicht länger auf dem Schlachtfeld klären. Europa muss mehr Druck für Friedensgespräche machen."
Seine Skepsis gegenüber den Sanktionen der EU gegen Russland bekräftigte Kretschmer. "Sanktionen sind immer besser als der Einsatz von Waffen. Aber sie müssen bei dem Aggressor auch die nötige Wirkung entfalten. Uns muss klar sein, welche Auswirkungen die Sanktionen für die deutsche Wirtschaft haben. Da baut sich gerade ein Tsunami auf."
Kretschmer vertritt im Ukraine-Krieg seit Wochen eine Haltung, die mit der offiziellen Linie der CDU kaum vereinbar ist. Dabei fühlt sich der Ministerpräsident vom Verlauf der Krise bestätigt. "Ich habe meine Position seit dem Frühjahr immer wieder bekräftigt und in vielen Punkten wurden meine Einschätzungen durch die Entwicklungen bitter bestätigt. Die Kostenbelastung, die gewaltige Inflation waren absehbar", so Kretschmer.