Ende der Privatsphäre. Heute wird im EU-Rat über die flächendeckende Chatkontrolle abgestimmt. Das links-grüne Spektrum will offenbar dafür stimmen. Threema: mit der Chatkontrolle wird „ein Massenüberwachungsapparat von orwellschem Ausmaß“ etabliert.
Es soll ein Beschluss auf den letzten Drücker werden: Kurz vor Ablauf der belgischen Ratspräsidentschaft versuchen deren Vertreter auf EU-Ebene einen Beschluss zu einem der umstrittensten Überwachungsprojekte zu erzielen, die sogar schlimmste orwellsche Vorstellungen übertreffen: Kommunikationsdienste wie Whatsapp, Signal oder Facebook sollen verpflichtet werden, auf Anordnung persönliche Bilder und Videos der Nutzer zu durchsuchen und zu melden.
Der Schweizer Messenger Threema hat sich mit scharfen Worten gegen die in der EU geplante Chatkontrolle gestellt. In einem Blogbeitrag schreibt das Unternehmen, dass mit der Chatkontrolle „ein Massenüberwachungsapparat von orwellschem Ausmaß“ eingerichtet werden solle. Das Projekt müsse gestoppt werden.
Über die Chatkontrolle wird voraussichtlich am Mittwoch im EU-Rat abgestimmt. Die bisherige Sperrminorität gegen das Vorhaben wackelt, weil Frankreich Zustimmung signalisiert hat. Würde der Rat für die Chatkontrolle votieren, könnte sie in die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament gehen.
Jeder steht unter Generalverdacht
Der Messenger Threema, der schon 2012 verschlüsselte Kommunikationsdienste angeboten hatte, nennt die Folgen einer möglichen Einführung der Chatkontrolle „verheerend“. Unter dem Vorwand von Kinderschutz würde es EU-Bürger unmöglich gemacht, sicher und privat im Internet zu kommunizieren.
Threemawarnt auch davor, dass es später keinen Weg gäbe um zu überprüfen, ob die Chatkontrolle wirklich nur bei CSAM (Missbrauchsmaterial) Anwendung finde: „Ist der Massenüberwachungsapparat erst einmal implementiert, kann er leicht für das Erkennen anderer Inhalte als CSAM erweitert werden, ohne dass dies jemand merkt“.
Die gemeinnützige Signal-Stiftung, die den Messenger Signal und ein Protokoll entwickelt hat, das zur sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung beispielsweise in Whatsapp eingesetzt wird, hat die Pläne der EU-Staaten zur Überwachung von Chats ebenfalls scharf kritisiert. "Entweder schützt die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung jeden und verankert Sicherheit und Privatsphäre, oder sie ist für jeden kaputt", sagte Stiftungs-Präsidentin Meredith Whittaker zu den Plänen der Belgischen EU-Ratspräsidentschaft, Internetdienste dazu zu verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer auf Straftaten zu durchsuchen.
Bisher war der Vorstoß unter dem Begriff "Chatkontrolle" diskutiert worden, mittlerweile ist in einem leicht abgeänderten Entwurf die Rede von "Upload-Moderation": Nutzer sollen demnach Bilder, Videos und URLs nicht mehr senden können, wenn sie der Durchsuchung ihrer Inhalte nicht zustimmen. "Wir können es eine Hintertür, eine Vordertür oder `Upload-Moderation` nennen. Aber wie auch immer wir es nennen, jeder dieser Ansätze schafft eine Schwachstelle, die von Hackern und feindlichen Nationalstaaten ausgenutzt werden kann, indem der Schutz der unknackbaren Mathematik aufgehoben und stattdessen eine hochgradige Schwachstelle geschaffen wird", so Whittaker. "Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufzubrechen, ist - insbesondere in einer geopolitisch so brisanten Zeit - ein katastrophaler Vorschlag."