Nach Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes wollen offenbar deutlich mehr Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern als von der Regierung erwartet.
Bis Ende August haben deutschlandweit rund 15.000 Menschen eine solche Änderung angemeldet, wie eine SPIEGEL-Datenauswertung ergeben hat. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf mit ungefähr 4000 Fällen pro Jahr gerechnet.
Das Selbstbestimmungsgesetz tritt am 1. November 2024 in Kraft, aber schon seit dem 1. August können sich Betroffene bei den Standesämtern anmelden. Danach gilt eine dreimonatige Wartezeit, bis der Geschlechtseintrag tatsächlich angepasst werden kann.
Für die Datenauswertung hat der SPIEGEL bei 53 weitgehend zufällig ausgewählten Kommunen Zahlen zu diesen Anmeldungen abgefragt. Die Stichprobe war so gestaltet, dass ländliche Gemeinden, Klein- und Großstädte aus Ost- wie Westdeutschland enthalten waren. Die Ergebnisse wurden so gewichtet, dass sie der Einwohnerverteilung in Deutschland entsprechen.
Umgerechnet auf die Bevölkerung gibt es in Deutschland durchschnittlich 1,8 Anmeldungen zur Geschlechtsänderung auf 10.000 Einwohner. In größeren Städten sind es mit 2,5 Anmeldungen überdurchschnittlich viele. Kleinere Städte und Vororte verzeichnen der SPIEGEL-Hochrechnung zufolge 1,8 Anmeldungen pro 10.000 Einwohner, also genauso viele wie im bundesweiten Durchschnitt. In ländlichen Gebieten kommen noch 0,9 Anmeldungen auf 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Keine Unterschiede gibt es zwischen Ost- und Westdeutschland.
Wer ein anderes Geschlecht annimmt, muss auch einen neuen Vornamen wählen, sofern der alte Name nicht zum neuen Geschlecht passt. Das wollen rund 97 Prozent der Anmelderinnen und Anmelder tun. Minderjährige machen demnach rund fünf Prozent der bisher eingegangenen Anmeldungen aus.