Schulz’ Problem ist, dass er Merkel von links nicht kritisieren kann und von rechts nicht darf. Den gesamte Flurschaden hat die SPD als Koalitionspartner ja munter mitgetragen. Wie soll sich der Konkurrent da von Merkel absetzen?
Von Michael Klonovsky
Haben Sie das ZDF-Sommerinterview mit Martin Schulz gesehen? Ich auch nicht. Ich ertrage es nicht, diesen Menschen anzuschauen, ungefähr wie ich es nicht ertrage, in die Sonne zu blicken. Soviel Glanz hält der nichtsozialdemokratische Sterbliche schwer aus. Schulz zu betrachten, das ist wie Merkel zuzuhören. Man muss dafür geboren sein.
Aber wie ist es mit: Schulz lauschen? Die Gazetten haben ja einige seiner Aussagen kolportiert. Zum Beispiel soll Schulz dem staunenden Publikum verkündet haben: "Ich werde Kanzler!" So wie er auch einmal Fußballstar werden wollte, natürlich als Linksverteidiger. Aber was soll er denn sonst sagen? Mit Ausnahme des HSV kommen ja auch alle Bundesligisten mit der Ansage nach München, die Punkte nicht freiwillig herzuschenken, sonst könnten sie ja gleich zu Hause bleiben. Wie die Sache in der Regel ausgeht, ist bekannt.
"Ich bin ein erfahrener Wahlkämpfer", verriet Schulz im Sommerinterview seine Taktik. Tatsächlich? Die einzige öffentliche Wahl, der unser nunmehriger Spitzensozi sich als Einzelperson jemals gestellt hat, war jene, die ihm 1984 einen Sitz im Stadtrat von Würselen bescherte; der Kampf davor dürfte sich in überschaubaren Grenzen gehalten haben.
Zum Bürgermeister der Kleinstadt im Regierungsbezirk Köln wählte ihn 1987 der Stadtrat, keineswegs die Bürgerschaft. Nach der Europawahl 1994, bei der die SPD, welche Rolle Schulz als Wahlkämpfer auch immer gespielt haben mag, im Vergleich zum vorhergehenden Votum 5,1 Prozent an Stimmen verlor, zog endlich ein Würselener ins Europaparlament ein.
Fortan war für Schulz Schluss mit Wahlen, Wahlkampf, Wähler- und Wirklichkeitskontakt. 23 Jahre saß der momentane Kanzlerschaftsanwärter als Abgeordneter im EU-Parlament, fünf davon als Präsident. Als Chef des Europaparlaments verdiente er, mit allen steuerfreien Pauschalen und Zulagen, um die 300.000 Euro netto im Jahr, kein schlechter Schnitt für einen Schulabbrecher.
Er hatte sogar einen eigenen Butler – ein Frisör wäre auch nicht schlecht gewesen –, was alles zwar kein Grund ist, neidisch zu sein, aber die "Ich-bin-einer-von-euch"-Pose, mit der er neuerdings durch Fußgängerzonen tapert, nimmt ihm kaum jemand ab. Klar sind die Reichen immer noch viel reicher als Schulz, doch dem SPD-Wähler bringt ihn das nicht näher.
Unvergessen bleibt sein Talkshowauftritt bei Maybrit Illner, als der slowakische Politiker und Unternehmer Richard Sulik ihn fragte: "Wessen Repräsentant sind Sie? Wer hat sie gewählt, Herr Schulz?", und der Angesprochene flackernden Blicks die 754 Abgeordneten des Europaparlaments als Eideshelfer herbeibeschwor. Nein, wenn Schulz gewählt wurde, hat nie der Bürger abgestimmt, dem stellt er sich 2017 zum ersten und, wir wollen wetten, auch zum letzten Mal.
Wenn seine Genossen intern votieren, stellt er allerdings Rekorde auf. Beim SPD-Parteitag 2013: 98 Prozent für Schulz als Europabeauftragten. Ein Jahr später, auf dem Kongress der Europäischen Sozialisten: 91,1 Prozent als Spitzenkandidat für die Europawahl.
Aber die Stunde der vollen Normerfüllung schlug am 19. März 2017 auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD: Mit 100 Prozent der Stimmen erhoben die Sozen Kim Il-Schulz zum Kanzlerkandidaten und Parteivorsitzenden. Es ist immer ein obszönes Schauspiel, wenn Politiker an Wahlurnen auftauchen und sich selber wählen; Schulz ist nur der erste, bei dem man es jetzt hundertprozentig sicher weiß. Seine nunmehrige Konkurrentin Angela Merkel hatte mit elf Minuten Standing Ovations auf ihrem Parteitag die Latte allerdings sehr hoch gelegt.
Schulz’ Problem ist, dass er Merkel von links nicht kritisieren kann und von rechts nicht darf. Der gesamte Flurschaden, den diese Frau angerichtet hat – der Verfall der inneren Sicherheit, die Isolation Deutschlands in Europa, die Spannungen sowohl mit Putin als auch mit Trump, die Verschwendung von jährlich mindestens zweistelligen Milliardensummen für sogenannte Flüchtlinge und Asylforderer, für eine utopische, von praktisch allen Experten für gescheitert erklärten Energiewende sowie für die Alimentierung südeuropäischer Pleitestaaten –, all das hat die SPD als Koalitionspartner ja munter mitgetragen. Wie soll sich der Konkurrent da von Merkel absetzen?
Für die Linksschickeria in den Medien, Stiftungen und NGOs ist Merkel, die "Ikone des Westens", wie die Welt schleimte, inzwischen in jene messianische Rolle geschlüpft, die vorher Barack Obama spielen durfte. Dass sie keine zwei geraden Sätze sprechen kann, schadet ihr nicht, sondern gilt als „authentisch“; man glaubt einfach nicht, dass jemand mit dermaßen schlechter Rhetorik betrügen könnte.
Auch in diesem Punkt hat Schulz keine Chance. Überdies herrscht derzeit Konjunktur samt vergleichsweise niedriger Arbeitslosenquote, was man Merkel zuschreibt, und auch hier kann Schulz nicht punkten, weil ihm die Parteiräson verbietet, die Wahrheit auszusprechen, nämlich dass es eine Scheinkonjunktur ist, die sehr viel damit zu tun hat, dass man auf Kosten des Steuerzahlers die uns hunderttausendfach Zugelaufenen mit Wohnraum, Kleidung, Nahrung, Taschengeld, Freizeitspaß und neuen Gebissen versorgt, auf dass sie für immer hierbleiben, wobei man ihren Kinderwunsch konstant hoch hält, da die meisten sonst nicht viel produzieren werden, dass also der besagte Steuerzahler nichts anders tut, als sukzessive seine ethnisch-kulturelle Verdrängung zu finanzieren.
Und dass auch die niedrige Arbeitslosenquote eine Scheinquote ist, weil zum einen die hunderttausenden importierten Sozialfälle nicht in der Statistik auftauchen, zum anderen nie mehr Arbeitnehmer in Zeitverträgen und anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen standen als heute. Schulz hat nicht mehr zu bieten, als ein paar Floskeln zur härteren Kriminalitätsbekämpfung.
Aber nun kommen wir – Trommelwirbel bitte! – zur Klimax des Sommerinterviews, zum Frontalangriff des Kandidaten auf die Amtsinhaberin: Schulz fordert eine Quote für Elektroautos!
Endlich lässt er den Sozialisten raus, für den es auf Erden gar nicht genug Quoten geben kann! Der Gedanke, dass sich das Elektro-Auto, wenn es etwas taugt, ganz von allein auf dem Markt durchsetzen wird, so wie es das Automobil von Gottlieb Daimler und Carl Benz ja auch geschafft hat, ohne dass Kaiser Wilhelm ein Kutschenverbot erlassen musste, dieser Gedanke ist einem Sozialisten vollkommen fremd, weil er ja letztlich Sozialisten überflüssig macht.
Doch wiederum rennt Schulz vergeblich gegen eine amöbenhaft flexible Amtsinhaberin an. Nachdem der Sozi bloß Quoten gefordert hat, erklärte die Kanzlerin jetzt in einem Interview einfach den ganzen Verbrennungsmotor für obsolet. Während der Sozi den Markt bevormunden will, schafft ihn Angela "L’état c’est moi!" Merkel einfach ab.
Klar, warum soll sich ausgerechnet eine einstige FDJ-Sekretärin in puncto Sozialismus etwas vormachen lassen? Da stand dem Martin Schulz wahrscheinlich kurzzeitig der so erlesen bartumflorte Mund offen. "Du schaffst das nie", tuschelt es aus den Falten der Hotelbetten auf seinen Wahlkampfreisen, und Schulzens Martin nickt gequält, bevor er einnickt.
Im Blödenblatt Bunte, in dem Sozialdemokraten gern alle Hüllen fallen lassen, wie wir seit Rudolf Scharpings Pool-Party mit Gräfin von Pilati wissen, plauderte Schulz einst freimütig über seine Alkoholsucht. Damals habe er "alles getrunken, was ich kriegen konnte", und das Schlimmste sei gewesen, wenn man morgens mit dem Gefühl aufwache, versagt zu haben. Täglich nehme man sich vor, es besser zu machen, schaffe es aber auch am nächsten Tag nicht.
Man sieht und ahnte es: Auch ein kompletter Alkoholverzicht löst erschütternd selten persönliche Probleme.