Politologe: Bürgerkriegsszenario für Spanien unwahrscheinlich, Untergrundbewegungen und Terror möglich
Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler hält ein Bürgerkriegsszenario in Spanien für unwahrscheinlich. Allerdings könnten sich unter den fanatischen Befürwortern der Unabhängigkeit Kataloniens gewaltaktive Untergrundbewegungen bilden und Terror ausüben, sagte Münkler der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe).
"Die damit verbundene Gewalt ginge mit großen Kosten und politischen Verwerfungen einher." Mit dem Verlust Kataloniens wäre Spanien unmittelbar vom Staatszerfall bedroht, so Münkler.
"Madrid wird daher alles daran setzen, die Unabhängigkeit Kataloniens zu verhindern." Münkler fürchtet, eine Unabhängigkeit Kataloniens könnte eine für Europa "brandgefährliche Entwicklung" in Gang setzen. Andere Regionen würden sich den Fall Katalonien sehr genau anschauen. Meldeten auch sie den Wunsch nach Unabhängigkeit an, würde ein "für Europa auf Dauer zerstörerischer Prozess" eingeleitet.
In der generellen Rückbesinnung auf die Nation in Europa sieht Münkler das Bedürfnis nach mehr politischer und sozialer Teilhabe. Im europäischen Einigungsprozess sei ein Raum mit 400 Millionen Menschen entstanden, in ihm erscheine Partizipation als schwieriges Unterfangen.
Begründet hätten die EU wirtschaftliche Vernunft und die Erinnerung an schreckliche Kriege. Diese Erinnerung verblasse heute. Zugleich seien Menschen offenbar bereit, ökonomischen Erfolg zugunsten politischer und sozialer Teilhabe hintenanzustellen.
Der Entscheidungsprozess zwischen Wohlstand und politischem Einfluss markiere die "große Konfliktlinie der nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte".