WM 2006: Der größte Steuerraubzug der Geschichte - Erhöhung der MwSt. auf 19%. WM 2010: Krankenkassenbeiträge steigen auf 15,5%. WM 2014: Verteuerung der Lebensversicherungen. WM 2018: Parteien genehmigen sich freche 25 Mio. mehr auf Kosten des Steuerzahlers.
Für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist die WM in Russland bereits beendet. Nach einer unerwartet schwachen Leistung trat das Team in dieser Woche den Heimflug an. Die Folgen für den DFB: Hohn, Spott und leere Kassen.
Ganz anders sieht die Bilanz für die Berliner Politiker aus. Als hätten sie das frühe Ausscheiden geahnt, haben sie das sportliche Großereignis und die Abgelenktheit der Öffentlichkeit rechtzeitig genutzt, um sich die Taschen zu füllen.
Kaum hatte die WM in Russland begonnen, die Medien zu beherrschen, da brachten CDU/CSU und SPD einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein, der vorsieht, den Parteien ab 2019 25 Millionen Euro mehr aus Steuergeldern zukommen zu lassen – 190 statt 165 Millionen Euro. Wenige Tage später verabschiedete der Bundestag das Gesetz - von der fußballbegeisterten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.
Profiteur der neuen Regelung ist vor allem die SPD, deren schlechtes Abschneiden im letzten Wahlkampf ihr zukünftig eigentlich geringere Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung beschert hätte. Sie glich diesen Verlust jetzt aber nicht nur aus, sondern nutzte die Gelegenheit gleich dazu, die Summe für sich und andere kräftig aufzustocken – in trauter Eintracht mit ihren Koalitionspartnern CDU und CSU und auch zum Vorteil aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien.
Die Opposition nutzte die Gelegenheit, um sich scheinheilig als Hüter der Moral aufzuspielen und prangerte die „Selbstbedienungs-Mentalität“ der Regierenden an. Wer aber erwartete, dass auch nur einer der Kritiker die Konsequenz aus seiner Empörung ziehen und die Zahlungen nicht annehmen oder das Geld gar für soziale Zwecke spenden würde, wurde eines Besseren belehrt.
Aber nicht nur Steuererhöhungen und Selbstbedieung stehen während der WM hoch im Kurs. Letzte Woche nutzte der Bundestag die WM-Euphorie, um wieder mal Griechenland "retten". 15 Mrd. Euro gehen nach Athen. Geld, das verloren ist.
Auf rund 256 Milliarden Euro summieren sich die bisherigen Zahlungen aus den drei Rettungspaketen für Griechenland. Das Geld floss teils in Form direkter Kredite der Euro-Staaten, teils über die Rettungsschirme EFSF und ESM und teils über den IWF.
Das Verhalten der Bundestagspolitiker hat übrigens Tradition, auch wenn es nicht immer nur um den eigenen Vorteil, sondern gelegentlich auch zur Durchsetzung von Vorhaben geht, die in der Bevölkerung auf Widerstand stoßen. Hier ein paar Beispiele:
Während der Fußball-WM 2006 beschloss die damals regierende Große Koalition aus Union und SPD die bisher kräftigste Erhöhung des regulären Mehrwertsteuersatzes in der Geschichte der Bundesrepublik von 16 auf 19 Prozent.
Bei der Fußball-WM 2010 winkte die Koalition aus CDU/CSU und FDP eine Anhebung des Krankenkassenbeitrags von 14,9 auf 15,5 Prozent durch – nur einen Tag, nachdem die Erhöhung im Kanzleramt beschlossen worden war.
Die WM 2014 schließlich wurde von den Abgeordneten genutzt, um eine Reform der Lebensversicherungen auf den Weg zu bringen, die für die Versicherten deutlich höhere Beiträge nach sich zog.
Nur einmal mussten die Abgeordneten einen Rückschlag hinnehmen: Während der Fußball-EM 2012 verabschiedeten ganze dreißig im Bundestag anwesende Parlamentarier am Abend des EM-Halbfinals zwischen Deutschland und Italien ein Gesetz, das es Behörden erlaubte, persönliche Daten auch ohne Zustimmung der Bürger an Adresshändler zu verkaufen.
Tage später kassierte der Bundesrat das Gesetz wieder ein. Aber nicht etwa aus Empörung darüber, dass die zweite und dritte Lesung zusammen nicht einmal eine volle Minute gedauert hatten, sondern… weil die entscheidenden 58 Sekunden von einem Besucher auf Video aufgenommen und ins Netz gestellt worden waren, wo sie sich zum viralen Hit entwickelten.
Deutsche Politiker sind im übrigen nicht die einzigen, die die Fußball-WM 2018 zu ihren eigenen Gunsten nutzen. Ein besonders extremes Beispiel lieferten in diesem Jahr ihre russischen Kollegen.
Während die russische Nationalmannschaft am 14. Juni das Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien bestritt, kündigte Ministerpräsident Medwedew für 2019 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent an. Außerdem präsentierte er der Duma einen Gesetzesentwurf, der eine Erhöhung des Rentenalters für Männer bis 2028 von 60 auf 65 Jahre und für Frauen bis 2034 von 55 auf 63 Jahre vorsieht.
Hintergrund für das exakte Timing der Ankündigung war in diesem Fall aber nicht nur die Abgelenktheit der Bevölkerung: Während der gesamten Fußball-WM gilt für Russland ein Demonstrationsverbot, das die bereits angekündigten Demonstrationen von Opposition und Gewerkschaften - zumindest vorerst – verbietet.