Im Anschluss an die gestrige Entscheidung des EZB-Rats, den Schlüsselzins für den Euroraum unverändert bei 4,25% zu belassen, sprach Trichet erneut von einer "Delle" beim Wachstum. Das dürfte doch reichlich beschönigend sein. Denn die Zeichen stehen klar auf Abschwung.
Auch die EZB-Volkswirte haben ihre Wachstumsprognose für 2009 deutlich von 1,5% auf 1,2% gesenkt. Neben den gängigen Frühindikatoren deutet auch der deutliche Rückgang des "engen Geldmengenaggregats M1" ein erheblich langsameres Wachstum an. Kurzum: Es sieht richtig übel aus für die Konjunktur der Eurozone. Und dennoch hält Trichet an dem Szenario fest, dass im Verlaufe des kommenden Jahres der Wachstumsmotor wieder anspringt, vielleicht sogar schon im vierten Quartal dieses Jahres. Von einer Rezession in diesem Jahr will er mal gerade gar nichts hören.
Offenkundig will Trichet mit dem relativ rosigen Wachstumsszenarioden Forderungen nach Zinssenkungen argumentativ den Boden entziehen. Aber das ist der falsche Ansatz. Um Zinssenkungen abzulehnen, muss der Blick auf die Entwicklung der Inflation genügen. Denn obwohl die Wachstumsprognose des EZB-Stabes gesenkt wurde und der Ölpreis zuletzt stark gefallen ist, erwarten die Notenbank-Volkswirte, dass die Teuerung im Euroraum 2009 bei 2,6% liegen wird - meilenweit von ihrem Stabilitätsziel von knapp 2% entfernt.
Um nicht missverstanden zu werden: Wenn die Wirtschaft völlig zu kollabieren droht, kann eine Notenbank auch einmal die Prioritäten ändern. Aber soweit sind wir noch lange nicht. Eine Abschwächung der Wirtschaft wird nötig sein, um die Inflation einzudämmen. Das darf und muss eine Notenbank jedoch auch klar - und ohne falsche Scham - kommunizieren.