Die Debatte verläuft aber völlig anders. Noch immer reagieren die Deutschen erschreckt bis geschockt, wenn sie erfahren, dass die Bundeswehr-Soldaten in Gefechte verwickelt werden, in Sprengfallen geraten oder ihr Leben verlieren. Es hat nichts mit mangelndem Respekt oder Gefühlskälte zu tun, wenn man dieser Reaktion folgende Thesen gegenüberstellt: 1. Die Bundeswehr beteiligt sich an einem Krieg gegen Extremisten. Entsprechend muss man jeden Tag mit schlechten Nachrichten rechnen. 2. Vor diesem Hintergrund wäre es schlicht naiv, zu glauben, dass sich die Bundeswehr aufgrund der Verluste zurückzieht.
Eine ganz andere Frage ist es, wie die Generäle und das Verteidigungsministerium den Soldaten und der Bevölkerung diesen Einsatz "verkaufen". Die oberste Pflicht in diesem Zusammenhang lautet: Ehrlichkeit.
Ein Abzug würde die bisherigen Erfolge der Bundeswehr entwerten und das Land ins Chaos stürzen - der Einsatz wird sich, realistisch betrachtet, noch mindestens ein Jahrzehnt hinziehen. Und wann beginnt endlich die eigentlich wichtige Debatte, die Debatte über die deutschen Interessen und Pflichten im Ausland? Warum schickt der Bundestag tausende Soldaten ins Kosovo, in den Kongo und nach Afghanistan?
Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt: Dieser eine Satz, mag er auch stimmen, reicht längst nicht mehr als Begründung aus. Gedanklich hat die Mehrheit der Deutschen noch immer das Bild einer Bundeswehr vor Augen, die die Landesverteidigung sicherstellt. Gleichwohl weiß jeder, dass die Welt sich verändert hat- gibt es also eine neue verteidigungspolitische Strategie? Möglicherweise der Anti-Terror-Kampf? Und danach?
Viele Soldaten sind verunsichert, viele Bürger sind mal fassungs- und mal ratlos. Das macht die Afghanistan-Mission nicht einfacher.
WAZ: Leitartikel von Norbert Robers